Blochziehen

Fließ

Landeck

Tirol

Österreich - Austria

Turnus

alle 4 Jahre

Festausübung

N
aktuell

Allg. Festbeschreibung

Geografie

Klicken Sie auf den unteren Button, um den Inhalt von maps.google.de zu laden.

Inhalt laden

Ort

Fließ

Kreis

Landeck

Region

Tirol

Staat

Österreich - Austria

Beschreibung


Zu Geschichte und Ablauf
In Fließ, einer Gemeinde im Oberen Gericht (Bezirk Landeck) mit ca. 2.900 Einwohnern, wird ebenso, wie in Fiss, ein an Lebendigkeit kaum zu überbietendes Blochziehen veranstaltet, dessen Wurzeln im 20. Jahrhundert liegen dürften. So gibt es mehrere Belege für das Blochziehen in Fließ aus dem Zeitraum 1949-1964. Als im Jahr 1985 der Fasnachtsverein Fließ gegründet wurde, um schon im Jahr darauf ein großes Blochziehen durchzuführen, bedeutete dies die Wiedereinführung der Fasnacht.
Nach einem neuerlichen Blochziehen im Jahr 1988 beschlossen die Fließer, die Fasnacht im Vierjahresrhythmus zu veranstalten. Da man ja aus den regionalen Traditionen schöpft, ähnelt die Fließer Fasnacht in ihrem Ablauf dem Fisser Blochziehen, jedoch ohne dieses imitieren. Der Fließer Bloch ist ein Fichtenstamm und muss aus Transportgründen mehrmals geteilt werden. Der Stamm liegt mit dem Fuß noch vorne und weist an der Schnittstelle eine aufgemalte, die Zunge zeigende Fratze auf. Das Geäst der Krone wird unversehrt belassen. Im Gegensatz zum Fisser Bloch, der auf Schlittenkufen gleitet, oder der Laatscher Larch, die vom Traktor gezogen wird, fährt der Fließer Bloch auf Rädern. Des ungeachtet ist er vor allem im Steilen schwer zu schieben.

Am Tag des Blochziehens sind ab etwa 10 Uhr die Bajazzln im Dorf unterwegs und verkünden den Umzug. Pünktlich um 12 Uhr erfolgt der erste Auftritt der Schaller und Roller, die mit unterschiedlich großen Kuhschellen ausgestattet sind. In ihren roten Kostümen und mit ihren etwas weniger grimmigen Holzlarven unterscheiden sich die Roller von den Schallern in ihren schwarzen Kostümen. Die Schaller und Roller springen nach dem Mittagsläuten durch den Ort, um den unmittelbar bevorstehenden Beginn des Umzugs anzukündigen. Beim anschließenden Aufzug der Masken, die sich von der Hauptschule zum Bloch hin bewegen, kann man die verschiedenen Figuren bewundern: die lebhafte, große Hexengruppe, die schon genannten Schaller und Roller, den Fuhrmann, die Holzer, Bärentreiber, die Jäger, die Zwergelen, die Bajazzln, den Giggeler, die Paarln (Paare) bestehend aus Bauern, Knechten, Mägden, Kaminkehrern, Schuhputzern, Handwerkern, die Karrner u.a.m.

Gegen 13 Uhr setzt sich der Bloch in Bewegung. Voran marschiert die Musikkapelle und spielt Märsche. Der Fuhrmann leitet den Bloch und gibt stets den Einsatz, wenn es weitergehen soll. Die Sieben Zwerge bzw. Zwergelen, ebenso wie die Eichhörnchen und die Minihexen von den jüngsten Fließer Fasnachtlern dargestellt sitzen im Geäst des Blochs. An den Querstangen zum Ziehen und Schieben des Stammes stehen die kräftige Masken, die Schaller und Roller, Bärentreiber, Jäger, Holzer u.a. Der Schwoaftuifl am hinteren Ende des Blochs versucht immer wieder, das Blochziehen zu behindern, indem er an einem an der Krone befestigten Seil gegen die Zugrichtung zieht. Der Giggeler hat es auf die jungen Frauen im Publikum abgesehen, die Bajazzl turnen akrobatisch auf dem Bloch und den Dächern herum.

Der Bloch wird sodann einen genau festgelegten Weg entlang gezogen. Zweimal stoppt der Umzug, damit die Schaller, Bärentreiber und Jäger zwei Bären und später zwei mit Baumbart behangene Waldmenschen einfangen können. Unter großen Mühen nur können die widerspenstigen Untiere vor den Bloch gespannt werden. Der Schwoaftuifl und die Hexen versuchen immer wieder, die Bären und Waldmenschen zu befreien. Doch letztlich bleiben entsprechend der vorher vereinbarten Regie die Bärentreiber und Jäger siegreich und der Bloch kann, nun von den Bären und Waldmenschen mitbewegt, weitergezogen werden. Bei all den quasi ‚erzwungenen‛ Verzögerungen spielt die Musikkapelle auf, auch unterhalten die Bajazzln die Zuschauer. Bei einem dritten Stopp erfolgt der große Auftritt der Hexen. Sie stellen die Sage von der „Hexe Stase“ bzw. „Zöbele Stase“ dar, die mit einem Wagen Korngarben eingeflogen hat. Seit 2004 wird diese Geschichte in Form eines eigens erfundenen Hexentanzes übermittelt. Je mehr sich der Umzug der Hauptschule nähert, umso lustiger und lebhafter wird das Fasnachtstreiben. Die Zuschauer gehen bequem neben dem Bloch einher oder folgen ihm. Immer wieder beginnen die Labrasänger, satirische Liedern und Gstanzln über schief gelaufene, lustige Ereignisse im Ort vorzutragen. Attraktiv sind auch die kleinen Wägen der Fließer Fasnacht.

Der Umzug endet bei der Hauptschule mit der öffentlichen Versteigerung des Blochs, einer Gerichtsverhandlung und dem Verlesen der satirischen Labera-Texte. Im Gegensatz zu fast allen Fasnachtsumzugsorten gibt es in Fließ keine Ehrentribüne für die besuchende Prominenz aus Politik, Beamtenschaft und Wirtschaft. Im Gegenteil: Nirgendwo wird die Prominenz schlechter behandelt als in Fließ. Zunächst müssen die hohen Damen und Herren mit dem gemeinen Fußvolk neben dem Bloch einhergehen und werden andauernd im Gesicht angeschwärzt und in irgendwelche derben Späße verwickelt. Dann werden sie von maskierten Gendarmen verhaftet und in eine enge Zelle gesteckt. Anschließend tagt ein Gericht entgegen allen Regeln der Justiz. Die mutmaßlichen Delinquenten werden vorgeführt und mit der Anklageschrift – meist über politische oder sonstige ‚Fehlentscheidungen– konfrontiert. Verteidigende Rechtfertigungen werden vom Gericht sofort abgeschmettert, der Schuldspruch ist unausweichlich.

Thomas Nußbaumer, Universität Universität Mozarteum Salzburg

Referenzen

Thomas Nußbaumer: Fasnacht in Nordtirol und Südtirol. Von Schellern, Mullern, Wudelen, Wampelern und ihren Artgenossen, Löwenzahn: Innsbruck 2010, S. 352–357.