Eierlesen und Eierritt

Haid/Saulgau

Sigmaringen

Baden-Württemberg

Deutschland - Germany

Turnus

jährlich

Festausübung

N
erloschen

Allg. Festbeschreibung

Geografie

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Ort

Haid/Saulgau

Kreis

Sigmaringen

Region

Baden-Württemberg

Staat

Deutschland - Germany

Beschreibung


Birlinger berichtet 1862 von dem schon zu seinen Zeiten seit vielen Jahren nicht mehr ausgeübten Brauch:
Der Eierritt fand an einem Sonn- oder Feiertag in der Osterzeit statt. Zuvor wurde unter den ledigen Burschen ausgemacht, wer die beiden Reiter sein sollen. Der eine musste die Eier auflesen und der andere während dieser Zeit nach Saulgau reiten. Ungefähr hundert Pfähle wurden längs der Straße vom Wirtshaus an in gehöriger Entfernung in den Boden geschlagen. Sie mussten so hoch sein, dass der Reiter das Ei bequem nehmen konnte. Der Kopf jedes Pfahles war mit einem Kranz von Blumen geschmückt, den die ledigen Mädchen besorgten. Nach dem Mittagessen ging das Fest erst an, wozu sich alle Einwohner des Ortes und viele Auswärtige einfanden. Alles versammelte sich zur festgesetzten Stunde vor dem Wirtshaus. Die beiden Reiter tanzten hier im Hof mit den vorher dazu ausgewählten Mädchen die sogenannten Vortänze. Jeder Reiter hatte eine weiße Hose an, kein Wams über seinem weißen Hemd, aber schöne rote Hosenträger. Beide Ärmel waren mit Bändern verziert, um den Leib trug er eine Schärpe und auf dem Kopf ein rotes Käppchen. Die mitspielenden Mädchen mussten weiße Schürzen tragen, einen Kranz auf dem Kopf und einen Strauß in der Hand halten. Nach dem Vortanz begann der Eierritt. Der eine Reiter ritt nach Saulgau und musste bei seiner Rückkehr vom Bären ein gewisses Brot zum Wahrzeichen mitbringen. Der andere Reiter begann zu gleicher Zeit seinen Eierritt, d.h. er musste jedes auf dem Pfahl liegende Ei einzeln mit seinem Pferd einsammeln, zuerst das äußerste und so fort, und in eine Wanne werfen, die halb mit Spreu angefüllt war. Der Wannenheber musste sich beim ersten Pfahl in der Nähe des Wirtshauses aufstellen und das ihm zugeworfene Ei auffangen und in eine neben ihm stehende Schüssel legen. Er konnte dem Reiter seine Arbeit wesentlich erleichtern oder erschweren, denn ein geschicktes Auffangen verkürzte dem Eierleser den Weg. Dabei sollten aber nur wenige Eier zerbrochen werden. Das letzte Ei wurde irgendeiner Person auf den Kopf geworfen, was ein allgemeines Gelächter verursachte. Bei jedem Pfahl stand ein Mädchen, das auf die oben beschriebene Art gekleidet war. Da es aber auf der Haid nie so viele Mädchen gab, wie Pfähle dastanden, rückten sie mit dem Reiter nach und nach vor. Die Eier brachten die mitspielenden Mädchen mit.
Wäre der Eierreiter nicht vor der Rückkehr seines Kameraden fertig geworden, so wäre die Würze des Festes verloren gegangen. Darum trat auch dieser Fall hier nie ein. War der Eierreiter mit dem Einsammeln fertig, so setzte sich der ganze Menschenschwarm in Bewegung und ordnete sich zum Zug, um den rückkehrenden Reiter abzuholen. Voran trugen ein Junge und ein Mädchen die Fahne, an der ein Westenzeug und ein Taschentuch hingen. Das waren Gaben von den Wirtsleuten, den beiden Reitern bestimmt. Die Mädchen versuchten nun auf diesem Hin- und Herweg ihre Sträuße an den Mann zu bringen. Nahm ein junger Mann den dargebotenen Strauß an, so war dies ein Zeichen, dass er seine Geberin zur Tänzerin für diesen Abend auserkoren hatte. Außerdem war sie noch zechfrei. Brachte ein Mädchen ihren Strauß nicht an den Mann, so wurde es zu seinem größten Ärger zum Gespött der ganzen Menge und hatte auf Zechfreiheit keinen Anspruch. Kam nun der Zug wieder beim Wirtshaus an, so erhielten die beiden Reiter ihre Belohnung und hatten das Recht der Vortänze, die auch gleich getanzt wurden. Hernach tanzten die ledigen Burschen, die Sträuße angenommen hatten. Später konnte tanzen, wer wollte. Im Wirtshaus nahmen die beiden Reiter mit ihren Tänzerinnen, und die Mädchen, die beim Spiel mitgemacht und ihre Sträuße angebracht hatten, mit ihren Tänzern an einem besonderen Tisch Platz. Die übrig gebliebenen Eier wurden von der Wirtin unentgeltlich für diese Gesellschaft eingeschlagen. Das Eierlesen hat fast die gleiche Bewandtnis mit dem in anderen Gegenden, nur dass dort das Reiten wegfällt. Ein Mädchen liest die Eier von den Pfählen, die natürlich in diesem Falle nicht so hoch sind, auf, und ein lediger Bursche läuft unterdessen in einen vorher dazu bestimmten benachbarten Ort.

Referenzen

Anton Birlinger: Volksthümliches aus Schwaben, Sitten und Gebräuche, Freiburg 1862, S. 86-88.