Fastnacht

Reichenbach am Heuberg

Tuttlingen

Baden-Württemberg

Deutschland - Germany

Dieses Jahr

08.02.2024 (Donnerstag vor der Fastnacht = Weiberfastnacht)

Nächstes Jahr

04.03.2025 (Fastnachtsdienstag)

Turnus

jährlich

Festausübung

N
aktuell

Geografie

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Ort

Reichenbach am Heuberg

Kreis

Tuttlingen

Region

Baden-Württemberg

Staat

Deutschland - Germany

Beschreibung

Das Brauchtum der Fastnachtszeit ist von Richard Weber in der Ortschronik der Gemeinde Reichenbach aus dem Jahre 1938 festgehalten worden. Demnach eröffneten früher die jungen Burschen durch lautes "Schnellen", mit Peitschenstecken vom Wacholdergebüsch, den alljährlichen Fasnetrummel. Die "Schnellerei" war damals nicht allen Leuten zur Freude, zumal sie schon mehrere Wochen vor dem Fastnachtssonntag begann. Es entstanden deswegen auch immer wieder Anstände, besonders mit den "Alten". Die Folge war, daß die "Ortsschelle" oft jegliches "Schnellen", mit Ausnahme an den eigentlichen Fastnachtstagen, verbot. Damit war der Schülerfasnet, die vor den eigentlichen Fasnetshaupttagen Stattfand, aller Reiz genommen. Wenn man die Fastnachtsbräuche betrachtet, so stellt man fest, daß zwischen der Fastnacht für Kinder und Schüler und der Fastnacht von Jugendlichen und Erwachsenen unterschieden werden muß. Das gemeinsame Fastnachtstreiben ist erst seit ca. 25 Jahren zu beobachten. Sowohl die Ortschronik als auch Befragungen ergaben, daß dies in Reichenbach vorher noch nicht üblich war. An den Fastnachtstagen der Erwachsenen durfte kein Schulkind verkleidet herumspringen. Die Jugendlichen zwischen 14 und 17 Jahren duldeten dies auf keinen Fall. Sah ein Schüler einen Narr oder Bajass auf der Straße, so brachte er sich schleunigst in Sicherheit. Sichere Orte waren zum einen der Friedhof und zum anderen die Schule, denn das hohe Ansehen der Lehrer in jener Zeit hielt die Narren vom Betreten des Schulhauses ab. Ihre Zeit zum Feiern hatten sie zwei oder drei Wochen vor den Fastnachtshaupttagen. Wie der Fastnachtsrummel der Jugendlichen eröffnet wurde, ist in der Chronik folgendermaßen beschrieben: "Ende Januar oder Anfang Februar sieht man um die Mittagsstunde auf irgendeinem öffentlichen Platz ein Bürschlein breitspurig stehen und hört ihn "schnellen". Damit war der Fastnachtsrummel eröffnet. Es traten in der alten Zeit hauptsächlich vier Gestalten auf, der Narr mit "Gschellriemen", Holzlarve und Peitschenstecken, der Bajass mit einem Clownkostüm aus bunten und weit zusammengenähten Stoffen, ausgestopfter Zipfelmütze und einer weißen Tuchlarve vor dem Gesicht, die Hexe in hauptsächlich weiblicher Kleidung mit krummgewachsenem Stock und Koffer, und die Maskere, welche immer als prunkvoll verkleidete Paare auftraten. Die ersten Holzlarven hatten Pausbacken. Leider sind diese Larven, zwölf sollen es an der Zahl gewesen sein, heute verschwunden und nicht mehr auffindbar. Auch von deren Schöpfer weiß man nichts mehr. Andere schnitzte der recht geschickte Buchbinder Wilhelm Anger (1838-1894). Die meisten aber, acht Stück, stammen vom Steinhauermeister Josef Junker (1875-1926) und sind heute noch im Ort. Dieser schnitt aus derben Lindenholzblöcken zierliche, anmutige Frauenantlitze heraus. Die älteren Larven stellen Männergesichter mit weniger freundlichen Zügen dar. Die in der Jugendzeit unserer ältesten Mitbürger gebräuchlichen Larven sahen furchterregender aus und sind leider verschwunden. Der Narr, die Hexe und die Maskere sind uralte Gestalten. Der Bajass dagegen ist neueren Datums (um 1900). Er ist ein eigenartiger Bursche, einmal harmlos tölpelhaft, ein andermal flattierend. Zum Teil nimmt er eine Peitsche mit und läßt sie wild "schnellen". Er lauert ahnungslos Daherkommenden auf und fährt ihnen mit seiner rußigen Tatze durchs Gesicht und teilt auch derbe Schläge aus. Die ersten Bajasskleider hat die Traubenwirtin geschnitten und zusammengenäht. Der Auftritt der alten Gestalten erfolgte in der Reihenfolge Hexe - Narr - Maskere. Die Hexe symbolisiert den Winter, das Kalte, Dunkle, Schlechte. Diese wiederum wird vom Narr hinausgepeitscht und fortgeläutet. Hinter ihm zieht die Maskere, der Frühling, das Warme, Helle, Gute ein. Alteingesessene Fastnachtshaupttage waren damals wie heute der "Schmotzige Donnerstag", der Fastnachtssamstag, der Fastnachtsmontag, der Fastnachtsdienstag und zu einem gewissen Grad auch noch der Sonntagabend. Hauptnarrentag war aber eigentlich der "Schmotzige Donnerstag". Vor dem ersten Weltkrieg soll es üblich gewesen sein, daß die Narren mit lautem "Schnellen" an diesem Tag die Fastnacht suchten. Bekannter und jünger ist eine andere Art der Fastnachtssuche. Frühmorgens war zunächst nur ein Hemdglonker (Nachthemd) mit einer Laterne auf der Straße. Dieser suchte dann in alle Ecken leuchtend die Fastnacht. Fanden sich schließlich mehrere Leute, so wurde ähnlich wie am 1. Mai alles Mitgenommen, was nicht niet- und nagelfest war. Erst nach Verschwinden der Hemdglonker traten dann die Narren und Bajasse auf die Straßen. An diesem Tag war auch das Rußen aller Nichtbekleideten und besonders der Personen, die man weniger mochte, Brauch. Außerhalb der Ortschaft war dies jedoch verboten. Nach dem Ersten Weltkrieg wurde lange Zeit nicht mehr gerußelt. Erst nach dem Zweiten Weltkrieg tauchte der Brauch nochmals kurz auf und verschwand schließlich ganz. Dieser als Unsitte angesehene Brauch wird in unserer näheren Umgebung nur noch in Egesheim und Deilingen gepflegt. Die Wirtshäuser und Gaststuben waren über die Fastnachtszeit besonders mit Girlanden und Papierschmuck ausgeziert. War an diesem Tag in Reichenbach Umzug, so gingen nachher alle ins Wirtshaus. Manchmal war sogar ein Programm geboten, wobei ironisch vorgetragene Mißgeschicke und Geschehnisse von manchen Bürgern als Spott empfunden wurden. Am Fastnachtssonntag trank die Frauenschaft ihren Fasnetskaffee in der "Traube", und einige Ziehharmonikamusikanten spielten in der "Krone" zum Tanz auf. Mancher Schoppen oder manche Vesper wurde auch in Privathäusern eingenommen, weil man sich nicht vom Morgen bis in die Nacht hinein auf der Straße herumtreiben konnte. Auch in der Umgebung, in Egesheim oder Wehingen, konnte man Reichenbacher Maskengruppen antreffen. Am Fastnachtsdienstag tobten sich die Narren nochmals ordentlich aus, und es war verständlich, daß es hin und wieder auch Schwierigkeiten gab, wenn der eine oder andere noch einmal in maskiertem Zustand das vermeintliche, während des Jahres ihm zugefügte Unrecht mit Zins heimzahlen wollte.

Referenzen

Gemeindeverwaltung Reichenbach, 78564 Reichenbach am Heuberg Gemeindebuch von Reichenbach am Heuberg (?), S. 135.