Heubergfest
Turnus
jährlich
Festausübung
erloschen
Geografie
Ort
Kreis
Region
Staat
Beschreibung
War die eigentliche Heuernte vorüber, so ließen die verständigten Gemeindevorsteher der Ortschaften Binsdorf, Dormettingen und Geislingen durch den Büttel ausrufen: "Der Heuberg ist offen." Alles freute sich auf diesen Tag. Die Jünglinge übten Lieder ein, richteten Kränze für ihre Pferde und Ochsen her, jeder wollte die schönste Sense, die reichste Gurt, das weißeste Hemd, die glänzendste Lederhose, den breitesten Hosenträger, die stärksten Arme und die dicksten Waden. Küchle und Straubezen, Hockerlen und Vaudelen wurden gebacken, es wurde gesungen und am Blättle gepfiffen; die Rollen wurden verteilt, Tänzer und Tänzerinnen bestellt, die Reihenfolge der Familie im Mähen bestimmt, die Musikanten zusammengesucht, die Geigen besaitet, die Klarinettenköpfe umwunden und die rostigen Trompeten und Hörner gesammelt, Wägen mit Fourage beladen und so dauerte diese Vorbereitung die halbe Nacht. Schlag 6 Uhr ertönte ein kurzes Zeichen; die Gemeindefahne entrollte sich. "Hoch, Halloh" schrie die ganze Jugend. Eine dreimalige Fanfare erscholl und die Musikanten huben an einen Marsch zu spielen, die Jugend stampfte den Takt dazu. Voran ging der Tambour mit der großen Trommel, der allerlei Gestikulationen machte, hinter ihm die Bläser; machten sie eine Pause, dann begann der Gesang der Jugend. Kam man auf dem sogenannten langen Ziel an, so wurde die Fahne aufgepflanzt, verlesen und den einzelnen ihre Plätze und Geschäfte angewiesen, die Verhaltungsmaßregeln eröffnet, zur Eintracht, Fleiß und Anstand beim Tanz ermahnt, ein wenig ausgeruht und ein heiteres Lied gesungen. Dann folgte das Morgenlied, drei Märsche zugleich miteinander bildeten den Übergang zur Tagesordnung. Nun gings an das Mähen, die Sensen rauschten, das üppige Gras im Morgentau reihte sich Matte an Matte. War der Vormann ohne Unterbrechung ans Ziel gelangt, so verkündete ein tüchtiger Jubelschrei oder ein artiger Jodler sein Glück. War die letzte Schmeld dem Schnitt der Sense erlegen, so spielten die drei Musiker wieder eins. Nun wurde denen zu Hause durch eine Pistolensalve die vollbrachte Arbeit verkündet. Der Hornist gab das Signal zur Ruhe. Nun begann der geordnete Überfall auf die Vaudelen und Hockerlen und Straubezen, die Bier-, Wein- und Mostflaschen, Milchtöpfe und Branntwein-Gläser. War dem hungrigen Mann Recht widerfahren, ein Pfeifchen geschmaucht, Besuche gewechselt, hatte die Julisonne die Matten gedörrt und die Uhr 2 geschlagen, so ward ein Zeichen gegeben und die flinken Mädchen standen auf der Wiese, das Futter zu wenden, das Gras in Schlauen zu rächen und zu häufeln. Nun mußten sie, die zuvor so streng gerichtet, die Prüfung bestehen. Nachdem der letzte Rechenzug getan, nahte der Höhepunkt des Festes. Die Musikanten griffen zu den lustigen Waffen. In der Nähe eines ebenen Platzes stellten sie sich auf, die jeden Ortes für sich besonders. Ein Signal verkündete des Tages Neige. Feierabendlieder ertönten, derweil verzehrten die "schaffigen" Mädchen ihr Abendbrot.
Referenzen
Anton Birlinger: Aus Schwaben. Sitten und Rechtsbräuche. Wiesbaden 1874.