Urbanifest

Marling

Bolzano

Südtirol-Trentino

Italia - Italy

Dieses Jahr

25.05.2024 (25.5. (Fest des heiligen Urban))

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25.05.2025 (25.5. (Fest des heiligen Urban))

Turnus

jährlich

Festausübung

N
erloschen

Allg. Festbeschreibung

Geografie

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Ort

Marling

Kreis

Bolzano

Region

Südtirol-Trentino

Staat

Italia - Italy

Beschreibung


Bis in unsere Zeitgenossenschaft wurde in Tscherms/Cermes und Marling/Marlengo in Südtirol eine große Gemeinde- und Flurprozession zum Urbanitag abgehalten: Der Urbani-Flurumgang mag als Beispiel dienen für eine Bittprozession im Sinne des Segenswunsches für das Gedeihen der Früchte und eine gute Ernte. Sie soll als eine der angesehensten Prozessionen in ganz Südtirol gegolten haben und war bis zum Schluss von wesentlich barocken Elementen durchsetzt. Für Marling lässt sich indirekt, an der Überlieferung eines "Bruderschaftsgebetes" erschließen, dass auch hier früher, vor der josephinischen Reform, organisationskräftige Bruderschaften tätig waren. Bis in die 1950er Jahre wurde die Prozession mit beiden Gemeinden zusammen in über fünf Stunden Dauer durchgeführt, später, bis in die 1970er Jahre, nur noch mit den Einwohnern von Tscherms. Heute, 2005, sieht der Veranstaltungskalender von Tscherms kein eigens benanntes Urbani-Fest mehr vor, aber noch zwei terminlich voneinander getrennte "Bittgänge" über die Weinbergwege, einen zum St. Anna-Kirchlein, und einen zur Kapelle bei Schloss Lebenberg.

Die Volkskundler Friedrich Haider und Alfred Gruber gaben Beobachtungen der Flurprozession des alten Urbanitages in ihren 1977 und 1985 erschienenen Büchern wieder. Die detaillierteste Schilderung mit präzisen Stations- und Flurangaben hatte allerdings schon Reinhard Staffler 1921 publiziert. Die Textstruktur der Wiedergabe lässt vermuten, dass die beiden Nachfolger stark aus dieser Informationsquelle geschöpft haben. Der Tag hatte demgemäß folgenden Verlauf:
Um 4:30 Uhr (bis zum Ende des 19. Jahrhunderts), später um 6:00 Uhr morgens wurde der Flurumgang mit dem Auszug aus dem Marlinger Kirchengebäude unter Glockengeläute und mit einem Segen eines Priesters begonnen.
Tscherms gehörte im 19. Jahrhundert noch zum Sprengel Marling, deshalb lag der Startpunkt dort. Beim Umgang machte die Gemeinde Halt an vier Stationen: an zwei Kapellen, einem Kreuzbildstock und einer weiteren Station, wo die Messe gelesen wurde. Die Heiligenfigur, eine Statue, wurde dabei auf einem Traggestell ("Ferkule", "Ferkele", lat. "ferculum") mit einer Art Thron umhergeführt, sodass sie über den Teilnehmern die eine, rechte Hand segnend, von der Figur weg, zeigen kann. Über der Figur wurde ein Holzrahmen mit blühenden Rebenzweigen gezogen, und eine "Rosmarinzier" (Sträußchen aus Rosmarinzweigen) wurde ebenfalls beigegeben. Die linke Hand der Figur hält eine Weintraube. Der Bittgang, der sich über mehr als fünf Stunden erstreckte, "benützt nie die Strasse, sondern immer nur Feldwege mitten durch die Weinberge", schreibt Haider. Doch die frühere Beschreibung durch Staffler 1921 enthält noch eine weitere Strecke: Der Zug ging zunächst an der Marlinger Kellerei vorüber entlang der Strasse zu einem Wetterkreuz, wo das erste Evangelium gelesen wurde. Dann, nachdem sich die Leute von Tscherms angeschlossen hatten, bergauf zu einem Bildstock, wo das zweite Evangelium gelesen wurde. Nächste Station war das Kirchlein St. Anna in Baslan, wo eine erste Messe gelesen wurde. Oberhalb des Kirchleins dann das dritte Evangelium. Sodann ging der Zug durch die Rebflur bis zur Schlosskapelle von Lebenberg, wo eine zweite Messe gelesen wurde. Danach Pause und Verabreichung eines Getränks an die Träger. Zugleich bot das Gelegenheit für manche, die Prozession zu verlassen. Danach Anstieg für die Aktiven bis zum höchsten Punkt der Weinberge, einem Wetterkreuz, (dem sog. 'Rafeinerkreuz'). Dort, von oben, wurden die Rebanlagen noch einmal gesegnet und das vierte Evangelium gelesen. Der liturgisch-religiöse Teil endete gegen 9:30 Uhr nach dem Abstieg in der Kirche von Tscherms mit Gottesdienst und dem priesterlichem Schluss-Segen. Die Saltner, die das Traggestell mit Urbanstatue trugen, machten nun auf dem Rückweg nach Marling "in jedem größeren Bauernhof" Halt und stellten die Urbansfigur jeweils in die Weinansetze neben dem Keller. ("Hereinschauen des Urban in die Keller" hieß das, den Besitzern war das "wegen des Segens für den Wein recht", schreibt Staffler.) Mit den Trägern fand jeweils ein Umtrunk statt; ein Stückchen des Rosmarinkranzes wurde hinterlassen, dann zogen die Träger weiter. "Gelegentlich gab es dabei kleine Unfälle", so Gruber, und zum Schluss, so Friedrich Haider und vorher Staffler, wurde das ferculum zuweilen umgekehrt gehalten, weil man auf diese Art, den Kopf der Heiligenfigur nach unten, leichter Schritt halten konnte nach den vielen Wegzehrungen bis zur Pfarrkirche. Wir finden also auch hier Brauch-Elemente, die sich als "komische" bezeichnen lassen, die jenseits von seriöser und erhabener Zeremonialität stehen. Später, wann genau, ist nicht angegeben (der Publikationszeitraum der 1970er Jahre muss hier entscheiden) dauerte der Umzug nur noch drei Stunden durch die Felder: Von der Marlinger Kirche über die Schickenburg, in der dortigen Kapelle die Messe, an weiteren Kapellen je das Evangelium, entlang mehrerer religiöser Flurdenkmäler wieder zurück zur Marlinger Kirche.
Als Gruber und Haider den Urbani-Flurumgang beschrieben, fand er nicht mehr am 25. Mai, sondern an einem feststehenden arbeitsfreien Feiertag statt, in dem besonderen Fall Tscherms und Marling am Pfingstmontag. Die Verschiebung ist seit 1874 aktenkundig; vorher existiert eine Nachricht zum Jahr 1868, als der Umzug offensichtlich regelmäßig noch am 25. Mai stattfand (schon gegen 4:30 Uhr früh, wie Staffler berichtete). Erst nach dem I. Weltkrieg war der Pfingstmontag für den Urbani-Umgang von Tscherms und Marling endgültig institutionalisiert worden.

Über die Marling-Tschermser Urbanprozession werden wir in Kenntnis gesetzt, welcher Aufwand an Anstrengung und wie lange ein Festablauf zum Urbanstag betrieben werden konnte. Der einstige Beginn muss unmittelbar bei Sonnenaufgang oder noch kurz vorher gelegen haben, die Träger der Statue werden circa zwölf Stunden bergauf und bergab unterwegs gewesen sein. Der bei dem Flurgang getragene und dann in den Häusern zurückgelassene Rosmarin muss den gefühlten Eindruck noch verstärkt haben und sorgte nicht nur für einen länger bleibenden Anblick, sondern mittels des starken Geruchs gewissermassen für "Präsenz in der Luft" noch den übrigen Tag über, wenn die fercula schon wieder weggetragen waren.
Nach wie vor und jederzeit sorgen heute noch Bildstöcke für die Präsenz des Patronatsbildes in der Flur und erinnern an die Urbansverehrung, so wie der Urban-Bildstock mit seiner Nischenfigur nahe eines Gasthofes bei Meran, und damit ebenfalls in der Nachbarschaft von Marling/Tscherms. Er wurde im 18. Jahrhundert aufgestellt und 1914 neu ausgestattet markiert einen Orientierungspunkt an der Straße zur Fragsburg (Labers). 1970 ist das verblasste Nischengemälde von dem Ingolstädter Kunstmaler H. J. Wallrapp neu gestaltet worden. Und auch hier galt das Wetter, das der Urbantag brachte, als Prognosezeichen: Gutes Wetter am 25. Mai bedeutet gute Weinernte im Herbst.

Referenzen

Friedrich Haider: Tiroler Brauch im Jahreslauf. 2., neubearb. u. erg. Auflage, Wien 1985, S. 230-232.