Urzelnlauf
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01.03.2025 (Fastnachtssamstag)Turnus
jährlich
Festausübung
aktuell
Allg. Festbeschreibung
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Beschreibung
Am Samstag vor Fastnacht, dem Urzeltag, sind in Sachsenheim ca. 250 Urzeln unterwegs. Am Mittag treffen sich Urzeln und Besucher in der Sporthalle zum gemeinsamen Mittagessen und einem kompakten Unterhaltungsprogramm, um anschließend gruppenweise Privatquatiere von Urzelfamilien aufzusuchen. Am Abend ist der traditionelle Urzelball mit ca. 900 Besuchern.
Ablauf
ab 09:00 Uhr Urzeln in den Ortsteilen von Sachsenheim
ab 12:00 Uhr Großer Umzug durch Sachsenheim mit Brauchtumsvorführungen
ab 13:00 Uhr Mittagessen und Programm in der Sporthalle Sachsenheim
ab 15:00 Uhr Urzeln in den Privatquartieren
ab 20:00 Uhr Fasnachtsball in der Sporthalle Sachsenheim mit den "Amazonas Express"
Maskenfiguren:
Hemd und Hose des Urzels sind aus grober Leinwand hergestellt, die man durch die aufgenähten Tuchlappenreihen leicht hindurchschimmern sieht. Diese Lappen sind gleichmäßig geschnitten und von schwarzer Farbe. Unter dem Hemd verborgen hängen an einem starken Riemen eine oder auch mehrere Schellen. Ein weißes Tuch ist an der linken Brustseite befestigt. Bis auf die Hüften hängt ein am Rücken angestecktes Tuch mit Lappen. Am unteren Ende des Tuchs befinden sich ein dicker Hanfzopf und zwei rote Schleifen. Auf die dünne Larve aus Drahtgeflecht ist das ovale Gesicht gemalt. Eine Fellbräme umrahmt die Maske. Früher fand man solch einen Larventyp häufig in Südwestdeutschland.
Zu den weiteren Utensilien der Urzel gehören neben der kurzstieligen Peitsche, der Karbatsche, auch die Rätsche und die mit Fasnetsküchle gefüllte Quetsche.
Zur Entstehung der Urzelgestalt gibt es eine Erklärung aus der Sagenwelt: Als die Türken Agnetheln belagerten, soll eine mutige Frau mit Namen Ursula peitschenknallend und schellenrasselnd auf den Feind zugelaufen sein. Die zottelverkleidete Frau habe die Türken derart erschreckt, dass diese das Weite gesucht hätten. Dass vom Namen Ursula jedoch das Wort Urzel abstammen soll, ist nicht möglich. Man geht eher davon aus, dass es mit dem mundartlichen "Urzen" verwandt ist, was soviel heißt wie Reste oder Überbleibsel. Das Material des Urzelhäs wäre ein Indiz für diese Erklärung.
Geschichte:
Dieser Brauch kann seit 300 Jahren nachgewiesen werden. Der Ursprung liegt in Agnetheln, dem heutigen Agnita - früher Siebenbürgen, jetzt Rumänien. Bei dem Urzelnlauf handelt es sich um eine evangelische Fasnet. Das Brauchtum hat sich "unter dem Schutz" der bis ins 20. Jahrhundert in Siebenbürgen erhaltenen Zünfte, Nachbar- und Burschenschaften erhalten. Analog der Basler Fasnet, die ebenfalls via Zünften überlebte.
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die öffentliche Pflege des Urzelbrauchs in Agnetheln, wie im Falle auch anderer deutschen Brauchtumsveranstaltungen, zunächst untersagt. 1969 wurde der Brauch wieder zugelassen. Bedingt durch die politischen Ereignisse, die 1989 zur Auflösung des Ostblocks und zum Massenexodus der Siebenbürgen Sachsen führten, verschwand der Urzelnbrauch in Agnethlen für einige Jahre. Seit 2005/06 treten die Urzeln wieder in Agnetheln auf und werden nun vor allem auch von der rumänischen Bevölkerung mitgetragen .
Nach 1945 war eine größere Zahl Siebenbürger Sachsen aus Agnetheln nach Sachsenheim umgesiedelt. Als es ihnen Anfang der 60er Jahre wieder möglich war Rumänien zu besuchen, brachten sie einige Häser der dort traditionellen "Urzel"-Figur mit. Die Sachsenheimer fertigten nach diesen Vorlagen weitere Häser, und seit 1965 besucht der Urzel am Urzeltag die Stadtteile.
Alle notwendigen Requistiten wurdeb nach Sachsenheim gebracht oder sind der Tradition entsprechend neu angeschafft worden. Die Urzeln wurden zunehmend über die Stadtgrenzen hinaus bekannt und beteiligten sich auch außerhalb von Sachsenheim an Umzügen.
Es fällt auf, dass das überlieferte Urzelhäs aus Agnetheln den schwäbisch-alemannischen Narrenkleidern auf verblüffende Weise ähnelt.
Historisch eindeutig zu belegen ist jedenfalls, dass die Urzeln in Agnetheln immer im Zusammenhang mit Handwerkerzünften aufgetreten sind. So gehörte es zu den Aufgaben der Urzeln, Zunftlade und Zunftfahne der elf Handwerkerzünfte bei Umzügen und Paraden zu begleiten. Eine solche Gelegenheit war beispielsweise das "Ladenforttragen", bei dem man die Zunftlade dem Zunftmeister übergab. Nach Auflösung des Zuges trieben die Urzeln in kleineren Gruppen Schabernack mit den Zuschauern. Beim Besuch von Privathäusern erhielten sie Krapfen und Wein. Im Jahr 1689 ist der Mummenschanz der Zünfte erstmals historisch belegt. Die Herkunft des "Urzel-Laufens", das nur in Agnetheln bekannt war, liegt jedoch im Dunkeln.
Die Aufnahme der Urzelnzunft in die VSAN war im Jahr 1987.
Die Termine der aktuellen Fastnachtsveranstaltungen können aus dem unter www.fasnacht.net ab Oktober jedes Jahres von der Vereinigung Schwäbisch- Alemannischer Narrenzünfte (VSAN) veröffentlichten Narrenfahrplan entnommen werden.
Referenzen
Korrespondenzblatt des Vereins für siebenbürgische Landeskunde v. 1882 Artikel von Fr. Fronius. U.v.a.