Augräfin

Blotzheim

Haut-Rhin

Grand Est

France - France

Dieses Jahr

21.05.2024 (Dienstag nach Pfingsten)

Nächstes Jahr

10.06.2025 (Dienstag nach Pfingsten)

Turnus

jährlich

Festausübung

N
aktuell

Geografie

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Ort

Blotzheim

Kreis

Haut-Rhin

Region

Grand Est

Staat

France - France

Beschreibung


Es gab im Elsaß nach innerfranzösischem Muster Wettbewerbe unter der weiblichen Jugend. Es sei hier an die Wahl der Blotzheimer Augräfin und deren Tugendpreis erinnert. Auf dem Gemeindehaus wurden am Fest Christi Himmelfahrt von den Bürgern die Listen der wählbaren jungen Leute aufgestellt. Achtzehn- bis siebenundzwanzigjährige unbescholtene Jünglinge und Jungfrauen kamen in Betracht. Ausgeschlossen waren alle, die schon öffentlich Ärgernis gegeben oder übel beleumundete Eltern hatten. Außerdem wurden 30 Frauen von anerkannt unbeflecktem Lebenswandel bestimmt, wobei die kinderreichsten bevorzugt wurden. Am darauffolgenden Sonntag las dann nach der Vesper der Pfarrer von der Kanzel herab die beiden Listen vor und ermahnte zur unbedingten Unparteilichkeit und Gewissenhaftigkeit bei der Stimmenabgabe. Nach der Vesper führten der Pfarrer, der Schultheiß und der Augraf im Beisein von vier kinderreichen Vätern die 30 Frauen ins Rathaus. In ihrer Gegenwart wählten diese nun aus der aufgestellten Liste die 15 tugendhaftesten Mädchen aus. Hierauf durften alle Bürger in den Saal eintreten, um aus dem Munde des Schultheißen die Namen der Erwählten zu vernehmen. Jeder Bürger mußte dann unter den 15 Jungfrauen die würdigste nennen. Die Namen der drei Jungfrauen, welche die meisten Stimmen erhielten, wurden öffentlich bekannt gegeben. Im Anschluß daran wurden von den Bürgern auch die drei tugendhaftesten Jünglinge bezeichnet, ohne daß Doppelwahl stattfand wie bei den Mädchen. Gleich darauf wurde auch der neue Augraf gewählt, dem die Verwaltung der Au für einen Zeitraum von drei Jahren oblag. Die Schlußwahl traf endgültig die geistliche und weltliche Ortsbehörde. Der Pfarrer, der Schultheiß und der eben neu gewählte Augraf bezeichneten unter den drei Jungfrauen und Jünglingen die würdigste und den tugendhaftesten. AM Dienstag nach Pfingsten fand das große Aufest statt. Ein feierlicher Zug bewegte sich zur Kirche. Voran schritt der neue Augraf, gefolgt von den Vätern oder Vormündern der auserwählten Jünglinge und Jungfrauen. Hieran schlossen sich die Eltern der Augräfin und die Augräfin selbst mit dem tugendhaftesten Jüngling. Die 14 übrigen Paare kamen dann in der Ordnung, die von der Zahl der ihnen zufallenden Stimmen bestimmt war. Den Abschluß des Zuges bildeten die Mütter. In der Kirche nahm die Augräfin im Chor auf einem Betstuhl Platz, ihr zur Seite befanden sich die zwei Konkurrentinnen. Ihr zur Rechten waren die fünfzehn Jünglinge aufgestellt, zur Linken die zwölf übrigen Mädchen. Bei der Seelenmesse, die nun für den Schenkgeber der Au an Blotzheims Bürgerschaft gelesen wurde, fand ein Opfergang statt. Zuerst schritt zum Opferstock die Augräfin, ihr folgten die übrigen auserwählten Jungfrauen und Jünglinge, dann deren Väter und Mütter und zuletzt die übrigen Gemeindegenossen. Nach dem Gottesdienst segnete der Pfarrer einen aus weißen Lilien geflochtenen Kranz und zwei silberne Denkmünzen, welche der aus dem Amt scheidende Augraf beschaffen und auf den Altar legen mußte. Nach einer kleinen Ansprache legte der Pfarrer den Lilienkranz aufs Haupt der Augräfin und über gab ihr eine der zwei mit Blotzheims Wappen geschmückten Denkmünzen, die andere erhielt der auserwählte tugendhafte Jüngling. Nach dem Te Deum wurde die glückliche "gekrönte" Jungfrau in feierlichem Zuge wieder ins Vaterhaus zurückbegleitet, wo sie von dem gewesenen Augraf den "Preis der Tugend", 200 Livres, erhielt. Die beiden mit ihr zur Schlußwahl vorgeschlagenen Genossinnen wurden ebenfalls im Zuge heimbegleitet und erhielten als Preis je 50 Livres. Nachher fuhr man in die Au zum Rosenfest und feierte dort die gekrönte Jungfrau als "Augräfin", Schmaus und Tanz beendeten das ländliche Volksfest. Nach der Verheiratung gehörte die gewesene Augräfin ohne weiteres zu den 30 wahlberechtigten Frauen; harre sie viele Kinder, so zählte ihre Stimme doppelt.

Referenzen

Joseph Lefftz: Ein ländliches Volksfest im Aufklärungszeitalter. In: Elsaß-Land - Lothringer Heimat, März 1928, S.65-68.