Fronleichnam

Rottweil

Rottweil

Baden-Württemberg

Deutschland - Germany

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30.05.2024 (Fronleichnam = 2. Donnerstag nach Pfingsten)

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Ort

Rottweil

Kreis

Rottweil

Region

Baden-Württemberg

Staat

Deutschland - Germany

Beschreibung


Ablauf heute
Fronleichnam wird in Rottweil mit einer festlichen Prozession begangen. Obwohl es heute keine vier Stationsaltäre und auch keine Blumenteppiche mehr gibt, ist der feierliche Umgang nach wie vor eines der eindrucksvollsten Ereignisse seiner Art in Südwestdeutschland. Seit Mitte der 1970er-Jahre hat sich folgender, unter dem Eindruck der Liturgiereform des Zweiten Vatikanischen Konzils verkürzte Ablauf ausgebildet: Nach einer Statio im Heiligkreuzmünster, der Hauptkirche der Stadt, zieht die Gemeinde unter der Voraussetzung, dass die Witterung dies zulässt, in Prozessionsordnung in den Stadtgraben, wo ein Gottesdienst unter freiem Himmel gefeiert wird. Danach bewegt sich die Prozession zur Hochbrücke, um durch den mittelalterlichen Stadtkern über die Hochbrücktorstraße und die obere Hauptstraße ins Heiligkreuzmünster zurückzukehren. Im Zentrum der Prozession steht der Hauptzelebrant mit dem Allerheiligsten in der barocken Strahlenmonstranz, der unter einem von vier Männern getragenen rotsamtenen "Himmel" (=Baldachin) schreitet. Unmittelbar vor und hinter dem Sakrament gehen, was für ein besonders pittoreskes Bild sorgt und die alten Traditionen der ehemaligen Reichsstadt aufleben lässt, die Vertreter der Zünfte mit ihren Fahren und den prunkvollen, größtenteils aus den 18. Jahrhundert stammenden Zunftlaternen bzw. Prozessionsstangen, die in Rottweil noch vollständig erhalten sind. Der festliche Zug, an dem sich neben den Klerikern, Ministranten und Notablen der Stadt die Kommunionkinder, der Kirchenchor und einige hundert Gläubige beteiligen, wird von den Prozessionsmärschen der Stadtkapelle musikalisch begleitet. Um einen würdigen Rahmen zu schaffen, sind die Häuser am Prozessionsweg mit Birkengrün, so genannten ¿Maien¿ und vielfach auch noch mit kleinen Fähnchen in den Kirchenfarben Weiß und Gelb geschmückt. Nach der Rückkehr ins Heiligkreuz-Münster wird dort der sakramentale Segen erteilt, wobei sich die Fahnenträger der Zünfte im Chorraum um den Altar aufstellen und im Moment der Segensspendung ihre Fahnen senken. Im Anschluss an die Prozession und den liturgischen Teil des Tages treffen sich die Zunftvertreter zur weltlichen Nachfeier in ihren verschiedenen Traditionslokalen, eine moderne Fortsetzung der früher nach geistlichen Umgängen allgemein üblichen "Abzeche".

Geschichte
Die Sakramentsprozession am Fronleichnamstag ist in Rottweil seit dem späten Mittelalter belegt. Im vielfältigen und zur Barockzeit hin immer prächtiger sich entfaltenden Prozessionswesen der Stadt war der Umgang am Herrgottstag traditionell der größte und aufwändigste. Die Kosten für dieses jährliche Großereignis katholischer Frömmigkeit und städtischer Selbstrepräsentation teilten sich die Stadtkasse und die geistliche Seite, wobei die Ratsprotokolle auch stets genau über die "Abzeche", die Auszahlung der in der Prozession als Heiltums- oder Bannerträger Engagierten, Auskunft geben. Wie in allen mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Städten war die Prozessionsordnung, d. h. die Reihenfolge, in der die Zünfte und städtischen Körperschaften hinter dem Sakrament gingen, ein minutiöses Abbild der in der Stadt geltenden Hierarchien. In besonderer Weise machten sich auch die Bruderschaften um die Gestaltung und Durchführung der Fronleichnamsprozession verdient, zunächst in erster Linie die Heiligkreuzbruderschaft, ab 1695 dann eine eigens zur Vertiefung der Eucharistieverehrung ins Leben gerufene Corpus-Christi-Bruderschaft. Dank der guten Quellenlage - die Ratsprotokolle sind in Rottweil seit 1582 lückenlos erhalten - lassen sich viele organisatorische Details der Prozessionsgestaltung früherer Jahrhunderte genau rekonstruieren - bis hin zu der Tatsache, dass Fronleichnam auch immer ein wichtiger Termin für die Kanoniere der Stadt war, die zur Segensspendung vom Hochturm her Salut zu schießen hatten.

Selbst das Ende der Reichsstadtzeit und der Übergang Rottweils ans evangelische Württemberg im Jahr 1802 vermochten der Prozession am Herrgottstag erstaunlich wenig anzuhaben. Sie blieb das ganze 19. Jahrhundert über und bis ins 20. Jahrhundert hinein das größte religiöse Massenritual der Stadt. Eine letzte Blüte erlebte die Fronleichnamsprozession nach dem Zweiten Weltkrieg, vor allem in den 1950er- und 1960er-Jahren: Mehrere tausend Teilnehmer, ein langer Weg durch das gesamte Hauptstraßenkreuz, vier Stationsältare mit Blumenteppichen, die mitgetragene Madonna von der Augenwende und anderes mehr machten Fronleichnam zu einer mächtigen Demonstration der Katholizität der Stadt. Umso mehr sorgten dann Ende der 1960er-Jahre sowohl der Antiritualismus des Zweiten Vatikanischen Konzils als auch das durch die 1968er-Bewegung entstandene Misstrauen gegen Traditionen jeder Art, die man mit Stillstand gleichsetzte, für eine Krise. Nicht nur hinter vorgehaltener Hand, sondern ganz offen wurde von progressiv sich verstehenden Kreisen die Rottweiler Fronleichnamsprozession abschätzig als "Sommerfasnet" bezeichnet. Selbst der Klerus äußerte sich unter dem Eindruck der Zeitsituation und angesichts der Liturgiekonstitution des Konzils skeptisch über die "Zeitgemäßheit" der herkömmlichen Festgestaltung.

Ihr Überleben verdankt die Rottweiler Prozession wohl vor allem den Zünften, die sich entgegen dem damaligen Zeitgeist und ungeachtet immer wieder laut werdender intellektueller Kritik massiv für den Erhalt dieser reichsstädtischen Tradition und spezifischen Ausdrucksform lokaler Frömmigkeit einsetzten. So einigte man sich schließlich auf den bis heute geltenden Kompromiss einer verkürzten Prozession unter Beteiligung der Zünfte mit ihren alten Insignien. Seit einigen Jahren engagiert sich auch wieder die historische Bürgerwehr und schießt bei der Segensspendung Salut. Nach dem sakramentalen Segen in der Kirche wird häufig noch das Rottweiler Marienlied "Du Schutzfrau von Rottweil, sei Hilf uns und Hort" gesungen, das an ein für die lokale Identität wichtiges, angebliches Marienwunder im Zusammenhang mit der Belagerung der Stadt durch die Franzosen 1643 erinnert. - Die Zunftlaternen der Zünfte werden übrigens nicht nur an Fronleichnam, sondern auch das Jahr über an jedem ersten Sonntag im Monat bei den so genannten Monatsprozessionen abends im Heiligkreuzmünster umgetragen.