Karfreitagsprozession

Calw

Calw

Baden-Württemberg

Deutschland - Germany

Dieses Jahr

29.03.2024 (Freitag vor Ostersonntag = Karfreitag)

Nächstes Jahr

18.04.2025 (Freitag vor Ostersonntag = Karfreitag)

Turnus

jährlich

Festausübung

N
aktuell

Geografie

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Ort

Calw

Kreis

Calw

Region

Baden-Württemberg

Staat

Deutschland - Germany

Beschreibung


In der erz-evangelischen Stadt Calw mit vergleichsweise wenigen Katholiken hat die Prozession zu Ostern überhaupt keine traditionelle Grundlage. Die italienischen Bürger Calws - die Mehrzahl von ihnen stammt aus Mirabella Imbaccari in der Nähe der sizilianischen Großstadt Catania - halten es deshalb für durchaus bemerkenswert, wie gelassen die Calwer ihre Prozession respektieren. Immerhin sorgen die stets etwa 800 bis 1000 Teilnehmer in der Innenstadt für eine gehörige Belebung - und das an einem Feiertag, der von den deutschen Christen eher in Stille und Zurückgezogenheit begangen wird.
Wenig bekannt ist das sogenannte Fest der Armen, das die in Calw wohnenden Mirabellesen in jedem Jahr um den Namenstag des heiligen Josef (19. März) begehen. Im Gegensatz zur Prozession, die für jeden zu sehen ist, findet dieses Fest im häuslichen Rahmen statt. Es gehört aber bereits zur Vorbereitung auf Ostern, was auch daran zu erkennen ist, daß die sogenannten "lamentatori", die Sänger der Klagelieder, mitwirken. Die "lamenti", die Klagen, erzählen die Kreuzigungsgeschichte und werden sonst während der Prozession am Karfreitag gesungen.
In Calw nimmt die Prozession in der stets überfüllten St. Josefs-Kirche in der Bahnhofstraße ihren Anfang. Männer in weißen Gewändern, später werden sie sich spitze Kapuzen überstreifen, nehmen die Jesus-Figur vom Kreuz ab und legen sie in den gläsernen Sarg. Die Statue ist in einer italienischen Stadt geschnitzt worden, deren Einwohner fast ausschließlich von dieser Kunst leben. Die Weißgewandeten sind die "incappuciati", die Vermummten. Es sind ausschließlich Männer, die sich in irgend einer Weise sündig fühlen und Buße tun wollen. Sie möchten sich bei Gott für ihre Fehltritte entschuldigen, indem sie in dieser Weise an der Prozession teilnehmen. Zugleich tragen sie theologisch-symbolisch die Schuld aller Menschen an der Kreuzigung Jesu. Aus Scham sind die Gesichter verhüllt: Sie sind nicht würdig, die Christus-Figur direkt anzuschauen.
Die Zahl der Vermummten ist nicht begrenzt - in Mirabella sind es um die 100 - und es nimmt keineswegs nur der gemeine Mann teil. Auch wichtige Leute, Adelige und Politiker verhüllen am Karfreitag ihre Gesichter. An der Spitze des Zuges gehen die Kinder. Die 14 kleinen Kreuze, die sie tragen, symbolisieren die 14 Stationen Jesu auf dem Kreuzweg. Es folgen vor dem gläsernen Sarg Pater Santo D'Accorso und die Ministranten, hinter den Trägern die Vermummten und dann die Madonna von jungen Frauen getragen. Beim Namensfest des heiligen Josef sind sie bereits in Aktion getreten, die "lamentatori". Am Karfreitag erfüllt ihr Chor- neben den eher kirchlich-institutionellen Zeichen wie der Bahre - seine eigentliche Aufgabe. Die "lamenti" sind nicht schriftlich überliefert, sondern mündlich über die Jahrhunderte vom Vater auf den Sohn weitergegeben worden. Gesungen wird in einem uralten sizilianischen Dialekt, der vor 300 oder 400 Jahren dort gesprochen worden ist. Noch viel älter sind Rhythmus und Musik, die auf arabische Ursprünge zurückgehen. Das Jahr 830 n. Chr. gibt dafür den Anhaltspunkt. Damals ist Sizilien vorübergehend von den Arabern erobert worden, die Herrschaft Friedrichs II. war damit zu Ende gegangen. Die Klagelieder dürften also über 1000 Jahre alt sein. Dem Chor dürfen nur Männer angehören. Ein Hauptsänger gibt den Ton an. Die "lamentatori" sind in der Lage, über drei, vier Stunden ohne Wiederholungen zu singen.

Referenzen

Stadtverwaltung, 75363 Calw. Stadtarchiv und Hermann Hesse-Museum, Im Zwinger 20, 75365 Calw.