Pfingstbutz / Pfingstflitteri

Baldenheim

Bas-Rhin

Grand Est

France - France

Dieses Jahr

19.05.2024 (Pfingstsonntag = 7. Sonntag nach Ostern)

Nächstes Jahr

09.06.2025 (Pfingstmontag = Montag nach Pfingstsonntag)

Turnus

jährlich

Festausübung

N
aktuell

Geografie

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Ort

Baldenheim

Kreis

Bas-Rhin

Region

Grand Est

Staat

France - France

Beschreibung


Der Baldenheimer Pfingstflitter gehört zu den von Buben, einzeln oder in Gruppen, zu Fuß oder zu Pferd veranstalteten Umzügen, wie sie landauf, landab stattfanden. Der Pfingstflitteri ist gewöhnlich ein vermummter Bube in alten, zerlumpten Kleidern, die mit Heu oder Stroh ausgestopft und mit Ketten und Strohseilen umwunden werden. Oder aber der Knabe wird mit jungem Laub, mit Blumen und Kränzen, mit Heidekraut oder Besenginster bis zur Unkenntlichkeit geschmückt. So zieht er von der Dorfjugend begleitet, liedersingend und gabenheischend von Haus zu Haus.
Der Baldenheimer Umzug ist in der Zusammenstellung der Personen bedeutend reicher. Es treten auf: der Gasserümer, Hansel und Gretel, der Riffeschmecker und Taumahder, Schulz, Weibel und Geiger, der Pfingstflitter mit zwei hohen Krizlirittern, sechs leere oder kleine Krizliritter, der Schneckebeller und Riffezenner und noch einmal zwei hohe Krizliritter, alle hoch zu Roß, eine recht stattliche Prozession bildend.
In der Woche vor Pfingsten stecken die Schulbuben eifrig die Köpfe zusammen und beraten über die Vorbereitungen zum Pfingstumzug. Wer mitmachen will, muß 30 Sous Einlage zur Bestreitung der Unkosten in die Festkasse zahlen. Um Streit zu vermeiden, werden die Darsteller durch das Los bestimmt. Die Sprecher erhalten ihre "Rimle", die sie auswendig lernen müssen, der Schulz und Bot' bekommen die Kasse, um den Festwein zu besorgen und den Dorfmusikanten zu bestellen. Dann ist die Kostümfrage zu lösen, sind die Pferde zu bestimmen, die im Zug mitreiten, und die von den Mädchen herausgeputzt werden. Am Pfingstsonntagmorgen versammeln sich auf dem Weideplatz vor dem Dorf Richtung Breitenheim, wo sich heute der Gottesacker ausdehnt, die Teilnehmer des Festzuges, um nach dem Gottesdienst die aus der Kirche tretende Gemeinde zu begrüßen. Längst hat der Schulz seinen Zug gebildet und alle warten auf das "Ausläuten" als Zeichen zum Aufbruch. Sowie die Glocke feierlich das Schlußgebet in der Kirche verkündigt, setzt sich der Festzug in Bewegung. Der "Gasserümer" eröffnet den Zug. Eine schwarze Larve verdeckt sein Gesicht, ein hoher Hut, mit roten Bändern und einem Sträußchen geschmückt, bedeckt sein Haupt. Über die rechte Schulter zur linken Hüfte läuft ein breites Bandelier aus Weidenrinde, die weißleuchtende Innenseite nach außen gekehrt. In der rechten Hand trägt er den Heroldsstab, einen langen Stecken mit einem Strohbesen. Vor der Kirche pariert er sein Pferd und bespritzt die wartende Menge mit seinem in Wasser getauchten Strohwisch als unheilige Pfingsttaufe. Sowie die Straße gesäubert und die Ruhe wieder hergestellt ist, kündigt er den Einzug seines Herrn und Meisters an:

"Platz, Platz, ihr Weiber und Kind,
Der Reitmeister kommt mit seinem Gesind.
Der Platz muß gut gerümet sein,
Es werden gleich noch viel andere Kameraden da sein."

Kaum hat er ausgesprochen, naht ein seltsames Gespann. Zwei Pferde ziehen einen langen Balken, in dessen Mitte auf einem Zapfen ein großes Wagenrad ruht. Darauf sitzen zwei Gliederpuppen als Mann und Frau angezogen. Es sind der Hansel und die Gretel, die sich eng umschlungen halten. Über ihnen wölbt sich ein girlandengeschmückter Reifen, der die Gruppe zusammenhält. Wenn der schwere Balken über die holprige Dorfstraße schleift, gerät das lose auf seinem Lager ruhende Rad in schlingernde Bewegung, daß sich die beiden Figuren sich gegenseitig nähern und sich wieder trennen, als ob sie sich küßten. Gretelführer zu sein, gilt als besondere Ehre; er braucht nichts in die gemeinsame Kasse zu zahlen. Hinterher reiten der Riffeschmecker und der Taumahder. Der Riffeschmecker trägt den bebänderten Pfingstmaien in der Hand und spricht:

"Riffeschmecker bin ich genannt,
Ich habe den Maien in meiner Hand.
Wenn der Maien fällt,
So reit' ich, daß der Boden schnellt;
Ich bin fortgegangen aus dem Hof,
Und wenn der Mai aufersteht,
So reit' ich, daß es weitergeht."

Mehr Interesse erregt der Aufzug des Taumahders. Er ist in den Farben des Frühlings am ganzen Körper gelb, grün und rot bemalt. Sogar seine Backen weisen ein schwarzes Streifenmuster auf. Seine Attribute sind eine hölzerne Sense und ein hölzerner Schleifstein. Damit wetzt er das hölzerne Schneidemesser und schüttelt den Kopf:

"Häut's net, so häut's es net,
Ich mag se schliffe, wie-n-i will.
Gan mer e Lümpli, ich hab mi g'häue,
E Stück Speck wär mer noch liewer,
E Stück Speck von der Seit' eweg,
Net ze klein un net ze groß,
Das es ken Loch in de Specksack stoßt."

Hinter dem närrischen Kerl kommen ebenfalls hoch zu Roß der ernste Schulze im Sonntagsstaat und der Weibel in Amtstracht, dazwischen der Dorfmusikus, der alte Fehlmann im Bratenrock, der auf seiner alten Geige den Einzug des Frühlingsgottes mit selbsterfundenen Weisen begleitet. Hinter ihnen reitet der Pfingstflitter, links und rechts von zwei stattlichen, hohen Krizlirittern geleitet. Ein schneeweißes Hemd bildet sein Gewand, das über den Lenden durch einen Blumenkranz zusammengehalten wird. Ein Bandelier aus Blumen schmückt seine Brust, Blumen bedecken sein Pferd. Auf dem Haupt trägt er einen oben spitz zulaufenden Kopfputz aus Binsen gleich einer Tiara, in der Hand hält er als Zepter den grünen Maien. Wenn er spricht, verstummt aller Lärm:

"Pfingstflitter bin ich genannt,
Ich hab den Maien in meiner Hand.
Heute morgen bin ich früh aufgestanden,
Um halb sieben noch vor der Bettlad gestanden,
Ich hab gehorcht und gehört,
Ob niemand reitet oder fährt.
Da ich niemand hab gehört,
Hab ich meine Pfingstpferd zusammengespannt
Und bin auf die Pfingstweid hinausgerannt,
Ich hab gemeint, ich bin der erste,
Und bin beim Pflickermuster der allerletzt gewesen!"

In seinem Gefolge reiten noch sechs leere oder kleine Krizliritter, die sich von den Hohen nur durch ihre kleinere Gestalt unterscheiden. Sonst tragen sie wie jene am weißen Weidenbandelier einen kleinen hölzernen Säbel. Daran schließen sich der Schneckenbeller und der Riffezenner. Der Schneckenbeller trägt über der Brust gekreuzt zwei Kränze aus leeren Schneckengehäusen, die bei jeder Bewegung laut und hohl klappern. Auch sein magerer Klepper ist mit Schneckenhäusern über und über behangen. Auch er sagt seinen Spruch auf:

"Ich bin der Kleinst', ich muß mich ducken,
Muß als gemach hinterherfür rucken.
Sprechet nicht zu laut,
Daß jedermann ein Stück Speck abhaut,
Nicht zu klein und nicht zu groß,
Daß es kein Loch in den Rocksack stoßt."

Sein Begleiter, der Riffezenner, hat große hölzerne Zähne, die wie Hauer aus dem geschwärzten Gesicht hervorragen und ihm am Sprechen hindern. So spielt er nur den wilden Mann. Zwei hohe Krizliritter mit Kreuzen an der Stirn bilden den Schluß des Zuges. Sie sprechen:

"Güete Morge, Müetter Anneli,
Mer sin net hergeritte, mer sin hergange.
Bettle un Rime isch unser Recht,
Mer sin armi Ackersknecht.
Kauf uns e neue Rieme,
Der alt kann uns nemmi diene;
Kauf uns e neue Pflüeg,
Der alt geht uns nemmi güet;
Kauf uns e neue Wage,
Der alt kann uns nemmi trage;
Kauf uns e neue Karre;
Der alt hebt alli Lit fer e Narre."

Nach der öffentlichen Vorstellung am Kirchausgang reitet der Zug durch das Dorf von Hof zu Hof, wo Gaben zu erwarten sind. Der Gasserümer öffnet die Hoftore und hält die Neugierigen fern, indem er seinen Besenwisch in des Landmanns Goldgrube taucht und nach ihnen spritzt. Jeder Darsteller sagt sein Sprüchlein her, während Schulze und Bote Geldspenden in Empfang nehmen. Doch kommt ihnen der Gasserümer oft zuvor, der bettelnd seinen Hut vorhält:

"Gan mer e Sü! Gan mer e Sü!"

Die Dorfjugend begleitet den Zug, und auch zahlreiche Zuschauer aus den benachbarten Riedgemeinden sind gekommen.
Am Morgen des Pfingstmontag versammeln sich die Festteilnehmer, um unter Führung der beiden Jungen, die den Schulzen und den Boten dargestellt haben, die Naturalgaben einzusammeln. Mit Körben und Säcken bewaffnet sprechen sie in all den Häusern vor, die sie schon am Vortag besucht haben. Alles ist den Pfingstknechten recht: Speck, Eier, Mehl, Graupen, Gries, Äpfel- und Birnenschnitze. Die Beute wird ins Oberdorf Wirtshaus der alten Sattlerin gebracht, wo sie abends zum gemeinsamen Festschmaus hergerichtet wird und schon der Pfingstwein lagert. Am Essen dürfen auch andere Kinder teilnehmen, die nicht den Zug mitgemacht haben. Nur müssen sie 10 Sous für die Zeche zahlen. Zechfrei gehalten werden die Mädchen, welche geholfen haben, die Pferde zu schmücken. Abends werden sie von ihren jungen Kavalieren zum Pfingstschmaus und Pfingsttanz abgeholt. Doch jeder muß seinen Teller und Besteck selbst mitbringen. Es gibt Milchsuppe, Speck und Rauchfleisch und zum Nachtisch Küchle. Danach wird zum Tanz aufgespielt.

Referenzen

Alfred Pfleger: Der Pfingstflitteri von Baldenheim. In: Elsaß-Land - Lothringer Heimat, April 1921, S. 222-225.