Pfluagziachn

Stilfs

Bolzano

Südtirol-Trentino

Italia - Italy

Dieses Jahr

10.02.2024 (Fastnachtssamstag) - 10.02.2024 (Fastnachtssamstag)

Nächstes Jahr

01.03.2025 (Fastnachtssamstag) - 01.03.2025 (Fastnachtssamstag)

Turnus

alle 2 Jahre

Festausübung

N
aktuell

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Geografie

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Ort

Stilfs

Kreis

Bolzano

Region

Südtirol-Trentino

Staat

Italia - Italy

Beschreibung

 

Geschichte und Ablauf

Das „Pfluagziachn“ in Stilfs, einer Gemeinde im Obervinschgau (ca. 1.170 Einwohner), findet alle zwei Jahre statt, und zwar meist am Samstag vor dem Fasnachtssonntag. Es zählt zu den originellsten Bräuchen Südtirols, weil es sehr im agrarischen Denken wurzelt und auf eine parodistische Weise eine heute zwar weitgehend untergegangene, nichtsdestotrotz aber als traditionell empfundene Welt wieder auferstehen lässt. Der zentrale Gegenstand des Umzuges ist ein Arlpflug. Das Umherziehen der Arl und das spielerische, lärmende Austragen unterschiedlicher Konflikte zwischen Alt und Jung, Mann und Frau, Sesshaften und Nichsesshaften, Bauern und Knechten und Fasnachtlern und Publikum bilden die Inhalte des Pfluagziachns.

Der Umzug beginnt oberhalb der Kirche merkwürdigerweise mit dem gemeinsamen Angelusbeten und sogleich setzt sich der Zug lärmend und chaotisch in Bewegung. Die Arl wird vom Schimmel (mit einer Fellmaske und einer mächtigen Schelle) und von den sechs Öchslen (in weiße Hemden und mit randlosen Kappen, an denen mehrere schmale Holzleisten hängen) gezogen. Neben dem Gespann geht der Großknecht, genannt Schnöller, mit einer Geißel einher, die er mitunter zum Goaßelschnöllen einsetzt. Der Bauer führt hinten die Arl und neben ihm geht die Bäuerin. Ihnen folgen der Altbauer und die Altbäuerin. Zum Gesinde gehören Knecht und Dirn, der Saamer (Sämann, Sägemehl verstreuend) sowie die Drescher mit Dreschflegeln aus Stoff, gefüllt mit Heu und Stroh.

Mühsam bringt der Bauer die ‚Zugtiere‛ in Bewegung. Es braucht seine Zeit, bis sie richtig zusammen ziehen. Der Boden ist hart und die Arl kann nicht furchen. Der Bauer bemüht sich, mit dem Gespann alle im Wege stehenden Hindernisse zu beseitigen. Wo die Arl nicht ankommt, greifen das Gesinde mit Pickeln und Schaufeln u.ä. ein und versucht, die Straße und die Schneehaufen aufzugraben, damit der Pflug greifen kann.
Der Kontrast zum Gesinde sind die Masken des G’sindls: Vogelhändler, Schuster, Scherenschleifer, Uhrmacher, Haarschneider, Wilderer, Zussln, die Doktoren und andere. Das gegenüber den anderen Fasnachtlern und dem Publikum aufdringliche G’sindl und die Drescher tragen unentwegt Konflikte aus. Mit ihren Drischeln schlagen die Drescher auf das G’sindl ein. „Hureg’sindl“ und (als Antwort) „Scheiß Baureg’sindl“ sind die am häufigsten zu hörenden Worte. Das G’sindl streitet und rauft sich nicht nur mit den Dreschern und dem übrigen Gesinde, sondern auch untereinander. Überhaupt wird viel gestritten und geprügelt. Die Altbauern bezichtigen die Jungbauern, insbesondere die Bäuerin, immer alles falsch zu machen. Die Masken sind überwiegend paarweise vertreten (z.B. Scherenschleifer und Scherenschleiferin), doch die Paare halten nur bei ‚Angriffen‛ von außen zusammen. Ständig versucht das G’sindl, den Schimmel und die Öchslen nervös zu machen, sodass es dem Bauern und seinen Dienstboten schwer fällt, die Tiere zu beruhigen. Zwar können die Drescher das G’sindl immer wieder verjagen, doch stets kehrt es zurück und provoziert von Neuem. Während die zahllosen Teilkonflikte andauernd eskalieren, schreitet der Umzug langsam vom Osten nach Westen voran. Zu den wichtigsten Handlungen gehören die Flucht eines Öchsls, dessen Rückführung durch den Bauern und Operation, der handfeste Streit des Bauern mit der Bäuerin und die Operation des Schimmels und später der Frau des Scherenschleifers durch die Doktoren.

Der konfliktreiche Umzug, in den auch das Publikum massiv eingebunden wird, endet vor der Kirche mit dem so genannten Knödelessen bzw. Knödelstehlen . Vor dem Kircheneingang befindet sich ein Tisch mit einem Korb voller Knödel und einer Schüssel Sauerkraut, dahinter stehen Bauer und Bäuerin . Das Gesinde und die Öchslen werden als erste verköstigt, doch auch das G’sindl ist hungrig. Frech dringen die zerlumpten Gesellen zum Tisch vor und stehlen Kraut und Knödel, stopfen sich gierig das Essen in die Münder, Taschen, selbst Schuhe und stolpern durch das Spalier der mit den Drischeln auf sie eindreschenden Dreschern von dannen. Diese Aktion, bei der das sozial tiefer stehende G’sindl noch einmal so richtig verdroschen wird, bildet den effektvollen Höhepunkt am Schluss des Umzuges.

Referenzen

Thomas Nußbaumer: Fasnacht in Nordtirol und Südtirol. Von Schellern, Mullern, Wudelen, Wampelern und ihren Artgenossen, Löwenzahn: Innsbruck 2010, S. 328–335.