Rutenfest

Ravensburg

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Ort

Ravensburg

Kreis

Ravensburg

Region

Baden-Württemberg

Staat

Deutschland - Germany

Beschreibung


Das Rutenfest in Ravensburg ist eines der traditionsreichsten städtischen Schülerfeste in Süddeutschland. Es dauert fünf Tage und wird um den zweiten oder dritten Sonntag im Juli herum gefeiert, jeweils kurz vor Beginn der Schulferien im Sommer. Haupttag ist der "Rutenmontag". Den Festauftakt bildet bereits am Freitag die Insignienübergabe an die so genannten "Chargen", die Schüler der Abschlussklasse der Gymnasien, durch den Oberbürgermeister im Rathaus. Das "Rutentheater", eine Schüleraufführung, wird bereits eine Woche vorher eröffnet, wobei das Stück 17-mal aufgeführt wird (Stand 2012).

Das Programm des Rutenmontags beginnt um 9.00 Uhr mit dem Festzug, der durch die Straßen der historischen Altstadt bis zum Kuppelnauplatz zieht. Die Hauptakteure des Umzugs, der Szenen aus der Stadtgeschichte zeigt, sind die Schüler verschiedenster Jahrgangsstufen. Den Fahnenreitern mit dem Stadtwappen an der Spitze folgt eine erste Schülergruppe mit ihrem Magister in der Tracht des 15. Jahrhunderts. Jedes der Kinder trägt einen belaubten Zweig, eben die Rute, die ihren Ursprung in der Strafrute zur Züchtigung unfolgsamer Schüler hat. Weiter werden Modelle sämtlicher Türme und Sehenswürdigkeiten der Stadt auf Wagen mitgeführt. Eine der Kerngruppen bilden "die Welfen" mit Heinrich dem Löwen, der wahrscheinlich um 1129 auf der Veitsburg in Ravensburg geboren wurde. An den nächsten Meilenstein der Stadtgeschichte erinnert der Auftritt Rudolfs von Habsburg, der Ravensburg 1276 zur Reichsstadt erhob. Die große Vergangenheit der Stadt als Handelsmetropole wird mit einem pittoresken Handelszug in Szene gesetzt, denn die um 1400 von Kaufleuten aus dem gesamt Bodeseeraum gegründete Ravensburger Handelsgesellschaft war über ein Jahrhundert lang die größte in ganz Deutschland. Vertreter verschiedenster Handwerke, allesamt von Schulkindern dargestellt, runden den historischen Teil des Umzugs ab. Im Großen und Ganzen verläuft er jedes Jahr sehr ähnlich. Den Festzug dominieren daher vor allem traditionelle Gruppierungen. Die Anzahl der "Phantasiegruppen", die in den 1950er Jahren das Bild prägten, ist stetig zurückgegangen. Nur noch einige wenige Gruppen, "Bunte Motive" genannt, sind übriggeblieben. Diese sind als historische Relikte der Stadt- bzw. der Festgeschichte in den 1950ern und 1960ern zu verstehen.

Am Zielpunkt des Umzugs, auf dem Kuppelnauplatz, werden von den Klassen Wettspiele veranstaltet. Die pädagogischen Intentionen des Festes zeigen sich besonders deutlich am Nachmittag des Rutenmontags, wenn die öffentliche Auszeichnung der besten Schülerinnen und Schüler stattfindet, die mit dem Ehrentitel "Oberstköniginnen" und "Oberstfähnriche" belegt werden. Ein sportlicher Wettbewerb unter den Gymnasiasten ist dann am Dienstag des "Adlerschießen". Dabei muss mit der Armbrust auf einen prächtig verzierten Holzadler mit Reichsapfel, Zepter und Krone geschossen werden. Den Dienstag beschließt am Abend ein Brillantfeuerwerk. Das letzte Ritual des Festes, das "Rutenvergraben", wird am Samstag nach dem Rutenmontag begangen. Anstelle eines Begräbnisses findet allerdings ein Bierfest mit Trommelspiel statt. Alle fünf Jahre erfährt das Fest noch eine Erweiterung durch das so genannte "Altenschießen". Dazu treffen sich die Ehemaligen-Jahrgänge bis ins hohe Alter, um noch einmal mit der Armbrust zu schießen.

Ein ganz besonderes Charakteristikum des Festes ist das "Antrommeln". Dabei ziehen Trommelgruppen, überwiegend aus Schülerinnen und Schüler der Ravensburger Schulen bestehend, sowie Fanfarenzüge durch die Stadt. Freunde, Anwohner und Sponsoren des Festes sollen hierbei "angetrommelt" werden. "Die Stadt ist in dieser Zeit vom allgegenwärtigen Trommelklang erfüllt." An den Trommelgruppen sind auch "Ehemalige" beteiligt, die jährlich zu Tausenden aus aller Welt zum Rutenfest in ihre Heimatstadt zurückkehren und das Bild des Festes sehr individuell prägen.

Der früheste Beleg für das Ravensburger Rutenfest stammt von 1645. Er steht im Zusammenhang mit einem der damals in vielen Städten üblichen Rutengänge, bei denen die Lehrer mit ihren Schülern vor die Stadt zogen, um Strafruten für deren Disziplinierung zu schneiden. Nachdem dieses "Virgatum-Gehen" (von lat. "virga" = Rute) vermutlich schon früh seinen ursprünglichen Zynismus verloren und sich zum bloßen Gaudium gewandelt hatte, entwickelten sich daraus in einer ganzen Reihe von Orten aufwändige Feiern der Schüler. Das Spektrum so entstandener Schülerfeste reicht von den "Maientagen" (von "Maien" = grüner Zweig) etwa in Vaihingen/Enz, Nürtingen oder Göppingen bis hin zum Ruethenfest in Landshut. In Ravensburg, das als paritätische Reichsstadt gemischtkonfessionell war, reichen die Nachweise der Rutengänge in den evangelischen Schulen bis 1546 und in den katholischen bis 1631 zurück. Spätestens seit der Mitte des 17. Jahrhunderts verbanden sich das Ravensburger Rutengehen dann jeweils mit breit gefächerten Festivitäten, die zunächst noch konfessionell getrennt, seit 1809 jedoch überkonfessionell und gemeinsam veranstaltet wurden. 1823 wurde das Adlerschießen eingeführt, das Treffen der Altersschützen gibt es seit 1900. Als traditionelle Gaben erhielten die Schüler früher jeweils noch zwei Gebäckstücke und zwei Bogen Schreibpapier, was auch aus anderen Orten bekannt ist (vgl. etwa das "Bogenspringen" in Isny).

Nach Leander Petzoldt ist das Ravensburger Rutenfest in seiner heutigen Form aus drei Komponenten zusammengewachsen: aus dem Rutengang der Kinder, einer festlichen Prämierung der besten Schülerinnen und Schüler und schließlich dem Schützenfest der Armbrustschützen. Träger des heute mit dem Rutenfest verbundenen Wettschießens war nämlich ursprünglich die Schützengilde, die seit der frühen Neuzeit einen wichtigen Beitrag zur Wehrhaftigkeit Ravensburgs leistete. Für die Organisation des Rutenfestes ist heute neben der Stadtverwaltung eine eigene Rutenfestkommission verantwortlich.

Anderen Quellen zufolge, wurde das Adlerschießen 1823 von einem Schullehrer, wahrscheinlich in Zusammenhang mit der Aufführung "Das Vogelschießen", ins Leben gerufen. Mit der Schützengilde hat der Schießwettbewerb demnach nichts zu tun. Das Adlerschießen stellt auch nur einen von drei Schießwettbewerben dar. Schließlich haben auch Haupt- und Realschüler seit dem 20. Jahrhundert eigene Wettbewerbe, etwa das "Wappenschießen" und das "Bogenschießen"

Referenzen

Gesche-M. Cordes: Vom Bescherkind zum Zitronenkönig. Feste der Kinder in Deutschland. Heidelberg, 2006.