Widderprozession

Virgen

Lienz/Osttirol

Tirol

Österreich - Austria

Dieses Jahr

06.04.2024 (Samstag vor dem 1. Sonntag nach Ostern)

Nächstes Jahr

27.04.2025 (1. Sonntag nach Ostern = Quasimodogeniti)

Turnus

jährlich

Festausübung

N
aktuell

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Geografie

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Ort

Virgen

Kreis

Lienz/Osttirol

Region

Tirol

Staat

Österreich - Austria

Beschreibung

In den einzelnen Fraktionen von Virgen kaufte der Fraktionsvorstand ein junges, männliches weißes Lamm. Manchmal war dieses Lamm freilich schon größer. Das wurde dann solange gefüttert, bis es die richtige Größe erreicht hatte, und so ein Opferwidder ist immer sehr groß. Die Wolle wird ihm mindestens zwei Jahre belassen. Am Weißen Samstag (Samstag nach Ostern) war die Zeit des Opfers da. Der Widder wurde einige Tage vorher gebadet und gestriegelt, so dass er schön aussah. Früher wurden meist mehrere Widder gestiftet.
Am Tag vor der Prozession wurden die Widder nach Lienz geführt, manchmal auch nach Tristach. Die Leute selbst gingen am Samstag um vier Uhr früh weg. Auf dem Weg wurde ständig gebetet und jede Kirche am Weg wurde besucht, so in Matrei i. O., St. Johann, Ainet und Oberlienz. In Lienz ging es zur Pfarrkirche. Nach einer Andacht wurde Rast gehalten, dann traf man sich wieder bei der Pfarrkirche. Nun waren auch die Widder da, die nun in einer Prozession durch Lienz nach Lavant geführt wurden. Die einzelnen Geschäftsleute knüpften damals den Widdern schöne Bänder auf. Sie zupften dabei den Widdern Haare aus und meinten, dass ihnen noch so viele Lebensjahre beschieden seien, als sie Haare erwischt hätten. Die Widder wurden auch mit Süßigkeiten und anderen Schleckereien gefüttert.
Gleich nach Lienz kamen die Lavanter dem Zug der Virgner entgegen, luden die Widder auf ihre Fuhrwerke und führten sie in den Ort. Von dort weg mußten die Widder den Weg wieder zu Fuß zur Wallfahrtskirche hinauf machen. In der Lavanter Pfarrkirche wurde kurze Andacht gehalten. Der Widder wurde dann der Lavanter Kirche geschenkt und versteigert. Das Lösegeld gehörte der Kirche. Manchmal wurde der Widder auch ausgekegelt oder "ausgebohrt". Meist jedoch wurde er versteigert, wie auch heute noch. Einige der Wallfahrer blieben in Lavant, die meisten jedoch begaben sich nach Lienz zur Übernachtung. So war es bis 1919.
So hat man die Widderprozession zwar weitergeführt, doch geht es nun nicht mehr nach Lavant, sondern nach Obermauern. Der Opferwidder wird jedes Jahr von einer anderen Fraktion durch den Vorsteher angekauft und etwa ein Jahr lang gut herausgefüttert. Am Weißen Samstag muß ihn der Pfleger um sieben Uhr zur Pfarrkirche nach Virgen stellen. Von dort weg wird er in einer Prozession nach Obermauern geführt. Der Brauch erfreut sich jetzt sogar größeren Zulaufs als früher. Nach Lavant nahmen etwa 20 bis 30 Leute teil. Nach Obermauern gehen hundert und mehr Andächtige mit. Der Pfleger des Widders hat das Recht, in der ganzen Gemeinde herumzugehen und Korn zu sammeln. Früher war es so, dass jeder Bauer jene Schüssel voll Korn gibt, die am häufigsten auf den Tisch kommt.
Die Versteigerung des Widders findet jetzt am Weißen Sonntag auf dem Hauptplatz von Virgen statt. Die Summe, die für den Widder geboten wird, ist sehr beträchtlich und übersteigt bei weitem den normalen Wert des Tieres. Der Erlös gehört der Kirche zu Obermauern.

Geschichte: Die Leute haben in der Pestzeit (1635) einen Widder gesehen, wie er mit dem Tod gekämpft und gesiegt hat. Da wollten sie ein Verlöbnis machen, das darin bestand, dass man jedes Jahr einen Widder nach Lavant - nach Obermauern der zweitgrößte Wallfahrtsort Osttirols - opferte. Seit dieser Zeit wurde die Virgner Widderprozession immer wieder durchgeführt, so die Volkssage. 1966 brachten auch die Zedlacher wieder einen Widder. Der Opferwidder ist ebenfalls den Kalsern bekannt.
Auch Kaufmann referiert einige Thesen zum Ursprung der Widderprozession: Zum einen scheint die Kirche von Lavant auf dem Boden eines vorgeschichtlichen Heiligtums zu stehen. Man weiß von alten Mysterienkulten, von einem keltischen Tempel, von römischen Opferungen und von uralten Widderknochen, die ausgegraben wurden und von hallstattzeitlichen Relieffunden, die auf solche Widderprozessionen schon in grauer Vorzeit hindeuten. Andererseits wird unter Hinweis auf eine alte Votivtafel behauptet, die Widderprozession gehe schlicht und einfach auf ein Pestgelübbde im 17. Jh. zurück. Wieder andere vertreten die Ansicht, bei der Opferung des Widders handele es sich um nichts anderes als den Rest einer einstigen Zehntabteilung an die Kirche.
Ähnliche Widderprozessionen seien laut Kaufman neben dem bereist genannten Kals in den umliegenden Orten Nörsach und Ötting üblich.

Referenzen

Friedrich Haider: Tiroler Volksbrauch im Jahreslauf, Innsbruck/Wien/München 1968, S. 267f.