Fastnachtsdienstag / Fasnatziestag

Oberstaufen

Oberallgäu

Bayern

Deutschland - Germany

Dieses Jahr

04.03.2025 (Fastnachtsdienstag)

Nächstes Jahr

17.02.2026 (Fastnachtsdienstag)

Turnus

jährlich

Festausübung

N
aktuell

Allg. Festbeschreibung

Geografie

Klicken Sie auf den unteren Button, um den Inhalt von maps.google.de zu laden.

Inhalt laden

Ort

Oberstaufen

Kreis

Oberallgäu

Region

Bayern

Staat

Deutschland - Germany

Beschreibung

Jährlich am Faschingsdienstag (dem „Fasnat-Ziestag“) versammeln sich in Oberstaufen ab acht Uhr morgens unverheiratete Männer im Haus des sogenannten Fähnrichs, wo sie bewirtet werden. Jedem Besucher läuft der „Butz“ besenschwingend entgegen und kehrt ihn ab. Mit dem Ruf „Es kut oinar, es kut oinar“ locken Kinder den Butz vor das Haus.
Der Umzug durch die Straßen des Marktes Oberstaufen formiert sich um zehn Uhr. Altfähnriche, Altchargierte und Fahnensektion gehen mit Blasmusik, Trommlercorps und mit der Fahne. Der Butz kehrt mit seinem Besen die Straßen frei. Auf dem Kirchplatz wird das Fahnenschwingen des Fähnrichs gezeigt. Nach einem Fanfarenstoß wird zum Gedenken der gefallenen Oberstaufener aus beiden Weltkriegen und an den Stifter des Brauchs, Graf von Königsegg, die Fahne gesenkt. Die Fahnengruppe geht dann zum Festlokal, die Altfähnriche begeben sich zum Frühschoppen. Der Butz nimmt an einem gesonderten Tisch Platz; das Essen wird ihm in einem irdenen Topf serviert. Um 14 Uhr beginnt die „Ma-“ und die „Wibertour“. Bei der „Matour“ (Männertour) werden verheiratete Männer von jungen Mädchen zum Tanz aufgefordert. Bei der „Wibertour“ (Weibertour), die nicht im Festlokal stattfindet, ist es an den verheirateten Frauen, junge Männer zum Tanz zu holen. Das bedeutet, daß nur die Frauen aktiv werden. Um 17 Uhr beendet der Butz den Tanz, alle treffen sich nun im Festlokal. Dort unterbricht der Fähnrich den Tanz beim Gebetläuten um 18 Uhr. Vor der Kirche bilden die Teilnehmer einen großen Kreis, den der Butz dreimal umrundet, um schließlich „tot“ zusammenzubrechen. Er wird von den Trommlern weggetragen. Um 19 Uhr wird die Fahne eingerollt. Nach einem Fackelzug beginnt die eigentliche Tanzveranstaltung, die pünktlich um Mitternacht, wenn der Aschermittwoch beginnt, beendet wird.
Die Wahl von Fähnrich, Vizefähnrich, Fahnenbrüder und Butz erfolgt jährlich vor der Kirchweih (dritter Sonntag im Oktober). Der Fähnrich hat auch den Kirchweihtanz zu organisieren.

Geschichte:
Nach lokalen Traditionen des Marktes Oberstaufen wurde der Tanz am Faschingsdienstag anlässlich der Pest des Jahres 1635 von Graf Hugo von Königsegg gestiftet. Die Stiftungsurkunde soll von einem Oberstaufner Fähnrich Mitte des 19. Jahrhunderts vernichtet worden sein. 1867 wurde die alte Fahne durch eine neue, heute noch verwendete ersetzt. Zum 300jährigen Jubiläum 1935 verschwanden Schiffshüte, Gehröcke, Degen und Zylinder, mit denen die männlichen Brauchteilnehmer ausstaffiert waren; man ersetzte sie durch die sogenannte Altstaufner Tracht. Seit 1951 gehen die Mädchen in Staufner Tracht, zu der die bekannten schwäbischen Radhauben gehören.
Das Recht, den Fasnatziestag abzuhalten, war ursprünglich Oberstaufner Bürgerssöhnen vorbehalten; der Fähnrich z.B. musste im Ort geboren sein und Hausbesitz nachweisen können. Bauernsöhne feierten ihren eigenen Fasnatziestag. Seit 1971 wird gemeinsam gefeiert; damit wurden auch bestimmte Traditionen aufgegeben, z.B. dass der Fähnrich der Sohn eines Hausbesitzers sein musste.
Die geschichtlichen Hintergründe des Brauches sind kompliziert. Wie häufig zu beobachten, entwickeln örtliche Traditionen eine Eigendynamik mit subjektiver Geschichtsdeutung, die der historischen Wahrheit nicht immer entspricht. Ungeachtet der Diskussion über die Geschichtlichkeit des Brauches kann man feststellen, dass der Oberstaufner Fasnatziestag unter den Faschingsbräuchen des bayerischen Allgäus heute eine Sonderstellung einnimmt. Es fällt auf, dass außer dem Butz keine Masken auftreten und auch nicht erwünscht sind. Damit fehlen, abgesehen vom Butz, jene Maskengestalten, die zur Besonderheit der schwäbisch-alemannischen Fastnacht der Gegenwart gehören.
In Oberstaufen wird der Fasnatziestag nicht als Faschingsveranstaltung verstanden, sondern als Erinnerungsfeier an die Pest des Jahres 1635. Dabei wird übersehen, daß die Pest in Oberstaufen erst im Mai des genannten Jahres die ersten, am Nikolaustag die letzten Todesopfer forderte. Die Rückführung auf die Pest entspricht dem auch in anderen Landschaften üblichen Erklärungsmuster und hat keinen wirklichen historischen Aussagewert. Bemerkenswert ist das angebliche Vernichten der Stiftungsurkunde, die es im übrigen nicht gegeben haben kann, weil Urkunden nur für Rechtsgeschäfte ausgestellt wurden und ein Brauch auch bei weitester Auslegung kein beurkundungswürdiger Akt sein kann. Die angebliche Stiftungsfahne des Grafen von Königsegg, ein im Heimatmuseum aufbewahrtes Fragment einer Fahne mit dem Allianzwappen des Grafen Hugo von Königsegg-Rothenfels, ist sicher keine Stiftungsfahne für eine bürgerliche Brauchträgergruppe, sondern entweder eine kirchliche Prdozessions- oder eine adelige Repräsentationsfahne.
Bemerkenswert ist die Gestalt des Butz mit seinem bunten Rautengewand. Die Farben sollen denen der Grafen von Königsegg-Rothenfels entsprechen. Es ist aber eher davon auszugehen, daß es sich um eine fastnachtstypische Farbkombination handelt. Der Butz ist einer der üblichen Narrengestalten der schwäbisch-alemannischen Fastnacht. Nach Ansicht von Peter Müller kennt „die weit in Mitteleuropa vertretene Familie der Blätzli, Spättli-, Fleckennarren selten einen so markanten Vertreter wie den Oberstaufener „Butz“, der in Narrenkleid und Requisit seine Abkunft so deutlich vom Bühnenharlekin verrät… Der „Butz“ von Oberstaufen kehrt mit dem Besen vor den Mitbürgern, er „reinigt“ brauchtümlich“. In Immenstadt bestand im 18. Jahrhundert ein ähnlicher Brauch mit dem Butz als Hauptakteur.
Oberstaufen konnte eine Fastnachtstradition des 18. Jahrhunderts bewahren, die im Historismus des 19. Jahrhunderts ihre besondere Ausdeutung erhielt, die jedoch fiktiv ist. Der Brauch wird damit anders interpretiert, als er ursprünglich konzipiert war, nämlich als Fastnachtsabschlussritual mit komisch-grotesken Komponenten.