Márton-napi búcsú / Martini-Kirmes
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Festausübung
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Beschreibung
Eine Martini-Kirmes "Márton-napi búcsú" wurde in der Kleinstadt Bonyhád/Bonnhard in Südungarn zum ersten Mal im Jahre 1992 veranstaltet. Eine neue Kirche, die den Anlass zu einem erstmaligen Kirchweihfest geboten hätte, wurde in jenem Jahr nicht eingeweiht, eine alte Kirche, die dem hl. Martin geweiht ist, hat die Stadt nicht. Die Organisation des Festes übernahm der Verein Heckwanz (Heckwanz Egyesület), eine örtliche ungarndeutsche Volkstanzgruppe, gleichzeitig ein Freundeskreis der Gemeinschaft Junger Ungarndeutscher. Manche Vereinsmitglieder wissen aus Erinnerungen, dass es vor dem Zweiten Weltkrieg einen großen Markt zu Martini gab, aus der nachherigen sozialistischen Ära ist keine vergleichbare Veranstaltung bekannt. Seit 1992 findet das Kirmesfest jährlich an jenem Wochenende statt, das näher am Martinitag liegt.
Ablauf:
Die Kirmes beginnt am Freitagnachmittag mit der Suche nach einem geeigneten Kirmesbaum: Die männlichen Mitglieder des Vereins, die an jenem Tag zu "Kirmesbuben" (ung. búcsúlegények) werden, suchen und fällen einen Tannenbaum, den sie zum Deutschen Haus der Stadt transportieren. Bevor der Baum gefällt wird, verabschieden sie ihn mit einem Gedicht und Wein. Den Abend schließt ein Umzug der Kinder mit Lampions, die Kindergarten- und Grundschulkinder ziehen - von Eltern und Familie begleitet - singend durch die Innenstadt. Nach dem Umzug werden sie in ihren Institutionen bewirtet und dort mit der Martinlegende bekannt gemacht. Die Vereinsmitglieder bereiten am Abend die Dekoration für den Kirmesbaum, für die Hüte der Kirmesbuben und für den Ballsaal vor.
Früh morgens am Samstagvormittag suchen die in Volkstracht gekleideten Kirmesbuben die im vorigen Jahr im Hof des Deutschen Hauses begrabene Flasche Rotwein. Damit wird die Kirmes ausgegraben (búcsú kiásása). Da immer nur ein Junge weiß, wo die Flasche Altwein begraben liegt, und er bei der Suche keine Hilfe leisten darf, dauert es in manchem Jahr auch mal eine Stunde, bis der Altwein in die Gläser der Kirmesbuben gelangt. Dann beschmücken die Mädchen die Hüte der Kirmesbuben mit einem Strauß und einem rot-weiß-grünen ungarischen Nationalband, zusammen hängen sie die Schleifen und eine Flasche Neuwein an den Kirmesbaum und dekorieren die zwei Pferdewagen, mit denen die Buben losziehen, um Kirmeswein (búcsúbor) zu sammeln. Bevor sie losziehen, wird zuerst noch der Kirmesbaum (búcsúfa) im Hof des Deutschen Hauses oder vor dem Stadthaus in der Stadtmitte aufgestellt. Dazu singen sie Lieder. Danach ziehen die Kirmesbuben mit den Pferdewagen, auf die Fässer für den Neuwein gestellt wurden, unter Begleitung von Akkordeonmusik singend durch die Stadt zu den Winzern, von denen sie hausgemachten Wein für den Kirmeswein angeboten bekommen. Jedem Winzer tragen sie ihren Spruch vor, der in mehreren Versionen vorliegt:
"Hört mich ab Halljátok,
Euren Ohr Nyissátok,
Kirchweih ist Búcsúzunk
Darum nicht Búsulunk.
Sind kommen Hozzátok
Den Keller Nyissátok
Großes Faß Bontsátok
Guten Wein Adjátok
Ha vagytok keuzichok
S adtok bort konichot
Megromlik der ganze
S jön rátok sok Wanze!
Aber megáld majd unser Gott
Ki auf Euch nicht morgott
Ha jo kedvel spendoltok
Nyugodtan schlafoltok.
Jetzt fragen wir den házigazda
Ad-e bort a mienk Faßba?"
Nach dem Weinsammeln werden sie alle bei einem Vereinsmitglied oder bei einem Chormitglied bewirtet. Die Mädchen bereiten inzwischen alles für den Ball vor. Die Fässer mit dem am Vormittag gesammelten Kirmeswein werden am Abend beim Kirmesball (búcsúbál) aufgestellt, jeder Gast darf ihn probieren. Zum Ball gehört ein Folkloreprogramm, an dem alle Volkstanzgruppen und Chöre aus Bonyhád mitwirken, auch Gastgruppen aus der Region oder aus dem deutschen Sprachgebiet werden jährlich eingeladen. Zum Begraben der Kirmes (búcsú elásása) kommt es eine Woche nach dem Fest, wenn der Kirmesbaum gefällt und eine Flasche vom gesammelten Kirmeswein im Hof des Deutschen Hauses für das nächste Jahr begraben wird.
Geschichte:
Am Beginn der Martinikirmes steht eine damalige ungarndeutsche Studentin und angehende Volkstanzpädagogin, die im Jahre 1992 die Leitung der drei ungarndeutschen Volkstanzgruppen der Stadt übernahm. Damit die drei Generationen sich kennen lernen, wollte sie mit den Kindern ein Fest organisieren. Aus Erinnerungen von Älteren wusste sie, dass früher in Bonyhád zu Martini ein großer Markt stattfand, und dass auch ein Kirmesbaum, eine Tanne, aufgestellt wurde. Der Martinitag schien eine gute Gelegenheit für das Kinderfest zu bieten. Die Grundlage für die Gestaltung des Festes bildeten jene Kenntnisse, die ihr bei der Ausbildung zur ungarndeutschen Volkstanzpädagogin über vergangene deutsche Kirmesbräuche, wie sie vor dem Zweiten Weltkrieg ausgeübt wurden, vermittelt wurden. Die Idee des Laternenumzugs kannte sie aus dem deutschen Sprachgebiet. Sie brachte den Kindern die Lieder "Ich geh mit meiner Laterne", und "Weißt du wie viel Sternlein stehn" bei. Das erste Weinsammeln wurde zusammen mit dem Deutschen Chor der Stadt organisiert, dessen Winzer den eigenen Wein anboten. Nach der Vorlage früherer Traditionen verloste man beim ersten Kirmesball um Mitternacht ein Kirmestuch - ein sog. "Berliner-Tuch" - indem in einen Hut neben vielen gelben auch ein roter Kurkuruzkern getan wurde, und wer den roten Kern fand, gewann das Tuch. Wegen dem Zeitaufwand fand im nächsten Jahr das Verlosen nicht mehr statt, dafür wuchs sich das Kinderfest bzw. die Kirmes zu einem Fest aus, an dem viele Stadtbewohner sich beteiligten. Viele Grundschul- und Kindergartenkinder nahmen am zweiten Laternenumzug, dessen Organisation inzwischen an die Institutionen überging, teil. Auch bieten immer mehr Winzer hausgemachten Wein als Kirmeswein an und das Fest gewann die Unterstützung der örtlichen Selbstverwaltungen. Bonyhád ist heute eine Stadt mit ungarischer und ungarndeutscher Bevölkerung. Die Deutschen, die im 18. und 19. Jahrhundert dort lebten, wurden nach 1945 ausgesiedelt, an ihre Stelle kamen ungarische Siedler. Die heutige ungarndeutsche Gemeinschaft entstand hauptsächlich durch die Zwangsumsiedlungen der Nachkriegszeit sowie durch Zuwanderung aus den umliegenden Dörfern.
Referenzen
Neue Zeitung (Jg. 40. 2005)