Osterbegießen
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Festausübung
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Beschreibung
Im nordungarischen Palozen-Dorf Hollókő, dessen Dorfzentrum durch seine traditionelle Architektur seit 1987 zum UNESCO-Weltkulturerbe gehört , wird das Osterbegießen alljährlich in seiner repräsentativen Form vorgeführt. Der im Rahmen eines mehrtägigen Osterfestivals medienwirksam vorgeführte Brauch zieht heute mehrere Tausende in- und ausländische Festteilnehmer und Zuschauer in den entlegenen Ort mit ca. 400 Einwohnern (Bild 1-2).
Ablauf:
Das Fest am Ostermontag beginnt mit einer katholischen Messe um 11 Uhr. Diese wird unter freiem Himmel, vor der kleinen Dorfkirche mit mittelalterlicher Bausubstanz von einem hohen katholischen Würdenträger, meist einem Bischof, zelebriert (Bild 3-6). Die Dorfbewohner erscheinen dabei in ihrer reich geschmückten, typischen Palozen-Festtagstracht (Bild 7). Folkloregruppen aus anderen Orten Ungarns sind ebenfalls in Trachten vertreten (Bild 8-9). Die Festtagsmesse wird mit religiösem Volksgesang einer ortsansässigen Sängerin untermalt, in Palozenmundart vorgetragen (Bild 10). Anschließend zieht die Besucherschar mit den Trachtengruppen vorne weg durch die Hauptstraße zur Festbühne, wo das ganztägige, bunte Folkloreprogamm beginnt (Bild 11). Auf der Bühne finden neben verschiedenen Folklore-Vorführungen von Tanz- und Musikgruppen und Volkssängern auch Wettbewerbe für Gesang, Märchenerzählung und Osterversen statt, an denen Jugendliche und Kinder mitwirken (Bild 12-14).
Während auf der Osterfestbühne das Folkloreprogramm startet, wird auf dem Hof eines der traditionellen Bauernhäuser das Osterbegießen vorbereitet: Hierzu werden die vorher fertig gestellten, traditionell und kunstvoll bemalten Ostereier in Körben gesammelt (Bild 15). Diese werden als Geschenk für das Besprengen überreicht.
Der kleine Hof des Bauernhauses ist überfüllt von fotografierenden Touristen; Journalisten und Fernsehkameras sind dabei nicht selten. Der Brauch wird folgendermaßen vorgeführt:
Auf dem Hof erscheinen in Tracht gekleidete Jungen, die mit kaltem Wasser gefüllte Blecheimer tragen (Bild 16). Die aus dem Haus kommenden Mädchen werden "von oben bis unten" mit Wasser begossen; sie ergreifen bei lautem Geschrei die Flucht auf den hinter dem Haus liegenden Hügel, doch dort werden sie mit weiteren Wassereimern konfrontiert (Bild 17-19). Nachdem die Eimer geleert wurden, beruhigen sich die Mädchen langsam und überreichen nun die Ostereier (Bild 20). Nach einer Ruhepause füllen die Jungen ihre Eimer erneut. Auch friedlich auf der Straße spazierende und nichts ahnende Frauen und Mädchen können von plötzlich auftauchenden Jungen mit Wasser besprengt oder gar schonungslos begossen werden, was für Aufruhr und Heiterkeit sorgt (Bild 21-22). Den ganzen Tag über ist immer wieder das laute Geschrei der Frauen und Mädchen zu vernehmen. Wer das Besprengen bereits gesehen hat, besucht die entlang der Hauptstraße aufgestellten Stände (Bild 23) des Volkskunst- und Handwerkgewerbes oder widmet sich dem Folkloreprogramm, dessen abschließender Bestandteil ein Freilufttanzhaus ist.
Geschichte:
Vielerorts in Ungarn werden auch heute noch Frauen und Mädchen von ihren männlichen Verwandten und Bekannten am Ostermontag aufgesucht. Oft bereits in der Frühe läuten die ersten Besucher. Die feierlich, meist im Sonntagsanzug gekleideten Jungen und Männer werden hereingebeten und tragen nun ihre kürzeren oder längeren Osterverse vor. Eines der häufig vorgetragenen Sprüchlein:
Zöld erdőben jártam
Kék ibolyát láttam
El akart hervadni
Szabad-e locsolni?
Auf Deutsch in etwa:
Ich bin in einem grünen Wald gewesen
Ich habe ein blaues Veilchen gesehen
Es war dabei, einzugehen
Darf man nun gießen?
Anschließend wird allen Frauen und Mädchen des Hauses etwas Kölnischwasser auf den Kopf gegossen oder gesprüht. Für ihren Dienst dürfen die Besucher eines von den vorbereiteten farbigen Ostereiern aussuchen. Diese sind entweder selbst gefärbt - häufig schön und kunstvoll bemalt - oder sie sind (heute vermehrt) aus Schokolade. Erwachsenen Männern kann auch ein Schnaps angeboten werden und Jungen bekommen häufig Geld. Auch Kuchen und Ostergebäck (húsvéti kalács) steht oft bereit. Nach kürzeren oder längeren Unterhaltungen ziehen die Männer zu weiteren Häusern. Die gesammelten Eier werden in einer Plastiktüte oder in einem Korb getragen. Erst zu Hause werden sie ausgeladen und für paar Tage als Schmuck auf dem Tisch zur Schau gestellt, bis schließlich alle Eier - ob aus Schokolade oder echt - aufgegessen worden sind.
Der profane Brauch des Begießens der Mädchen und Frauen am Ostermontag war in Ungarn landesweit stark verbreitet und ist - in veränderten Formen und Varianten - bis heute zu beobachten. Dem Brauch lag, so Sándor Bálint, der Glauben an die säubernde und fruchtbarkeitsspendende Kraft des Wassers zu Grunde, sodass Ostermontag häufig auch als "Wasserwerfender Montag" (ungarisch: vízbevető, vízbehányó hétfő) genannt wurde. Dies verweist auf die frühere Art der Brauchausübung, bei der die Mädchen und unverheirateten Frauen sogar mit Gewalt an Brunnen und Wasserquellen gebracht und dort eimerweise mit Wasser begossen oder gar in den Bach geworfen wurden. Erst später gesellten sich die auch heute noch üblichen Elemente hinzu, nämlich das Besprengen mit duftendem Kölnischwasser und das Aufsagen spezieller Ostersprüche in Versform. Sándor Bálint hält das Osterbegießen für eine erotisch geprägte Variante des frühjährlichen lustratio, bei dem jedoch auch eine Verbindung zu den christlichen Elementen des Taufens durch Wasser-Tauchen anzunehmen sei. Das Osterbegießen ist durch schriftliche Quellen erst seit dem 17. Jh. belegt.
Das zu den ältesten Osterspeisen gehörende Ei sei nach Bálint ein archaisches Symbol für das Leben, für die Wiedergeburt und für Christus selbst, doch seine liturgisch-symbolische Bedeutung sei allmählich verblasst bzw. habe sich zum profanen Geschenksymbol verwandelt. Der sich entfaltende, schließlich weit verbreitete und bis heute populäre Brauch des Ostereierbemalens habe einen äußert reichen Formenschatz hervorgebracht, habe jedoch keine Elemente liturgischen Ursprungs mehr bewahren können.
Referenzen
Beobachtungen und Fotodokumentation am Ostermontag, d. 17.04.2006.








