Hutzlsunndag

Óbánya

Pécsváradi

Baranya

Magyarország - Hungary

Dieses Jahr

18.02.2024 (1. Fastensonntag = Invocavit / Quadragesima)

Nächstes Jahr

09.03.2025 (1. Fastensonntag = Invocavit / Quadragesima)

Turnus

jährlich

Festausübung

N
aktuell

Allg. Festbeschreibung

Geografie

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Ort

Óbánya

Kreis

Pécsváradi

Region

Baranya

Staat

Magyarország - Hungary

Beschreibung


Im südungarischen Kleindorf Óbánya/Altglashütten, dessen ca. 170 Einwohner mehrheitlich Ungarndeutsche sind, wurde im Jahre 2001 ein Fest wiederbelebt, das zuletzt in den 1970er Jahren ausgeübt wurde: der "Hutzlsunndag".
Das Wort "Hutzl" bedeutet "Dörrobst", von dem man am ersten Fastensonntag früher mehr gegessen hat als an den anderen Wintertagen.
An diesem Tag lassen die "Hutzlbuwe" (Hutzelbuben) - das sind junge Männer unter der Leitung eines älteren, der als Schulkind den Brauch in den 1970er Jahren noch miterlebte - ein brennendes Rad, das "Hutzlrad", den Berghang hinunterrollen. Dieses Ereignis ging in die vor einigen Jahren entstandene ungarische Bezeichnung "tűzkerék gurítás" ("Feuerrad-Rollen") ein, mit der der Tag in die ungarischsprachigen Programmbeschreibungen und Einladungen Eingang fand.

Ablauf:
Früh am Nachmittag des Hutzlsunndags belagern die Hutzlbuwe den Berg am Dorfeingang, der früher "Wingelwiese" genannt wurde und heute auch als Skipiste fungiert. Bis dahin sind die Holzschindeln, Fackeln und das Hutzlrad, die der Leiter der Hutzlbuwe in der Woche vor dem Fest fertig gestellt hat, bereits dort vorbereitet. Ein Feuer, das "Hutzlfaier" aus Holz und Reisig, wird angezündet und mehrere Schindeln ¿ etwa 1-1,5 cm dünne, gespaltene Holzscheiben ¿ ins Feuer gelegt, damit sie Glut fangen. Etwa jede halbe Stunde stellen sich die Hutzlbuwe in eine Reihe, jeder ein brennendes Holzstück oder eine Schindel in der Hand, schwingen sie nach hinten und vorne, und sagen dabei folgenden Spruch auf:

Komm Siliches, komm Leriches
Mit Hutzlbrih geschmälzt,
Wenn ihr uns ka Hutzl gebt,
Da soll ai Baam ka Bien mehr trach',
Da drowe in di Schaier,
Hängt e' Karep voll Aier,
Dort drowe in den Pfiesch,
Da hängt e' Stange voll Wiescht,
Da gebt'r uns die lange,
Die kueze lässt'r hange,
Gebt uns die kuez a' drzu
Saim'e Bridr genug drzu,
Vivat!

Dem "Vivat" folgt das "Schindelwerfe", d.h. jeder wirft sein glühendes Holzstück den Berghang hinunter. Das Schindelwerfe dauert bis zum Abendgebetläuten, erst danach, wenn die Sonne untergegangen und es schon dunkel ist, wird das Hutzlrad "hinuntergelasse". Es ist ein vierteiliges Holzrad, ein früheres Mühlrad mit ca. 60-70 cm Durchmesser, in dessen vier Teile langes Roggenstroh geschoben wurde. In der Mitte befindet sich eine Nabe, durch die eine 3-4 Meter lange Eisenstange geschoben wird, damit das Rad getragen werden kann. Wenn die Glocken läuten, beten die Hutzlbuwe ein "Miatyánk" (ung. für das Vaterunser). Bevor das Rad hinuntergelassen wird, laufen zwei Hutzlbuwe mit je einer brennenden Fackel - eine Holzstange, um die Stroh gewickelt und festgebunden ist - auf beiden Seiten vor das rollende Rad, die anderen lassen das brennende Rad den steilen Berghang hinunter, dann laufen zwei Hutzlbuwe mit Fackeln hinter dem Rad den Berg hinunter. Erst wenn das Rad unten angelangt ist, wird die Eisenstange aus der Nabe gezogen.
Sei einigen Jahren lockt die Veranstaltung Besucher aus der Gegend in das kleine Dorf. Die lokale Deutsche Selbstverwaltung organisiert mit der örtlichen Selbstverwaltung, der Stiftung für Altglashütten und dem Deutschen Leserverein am Nachmittag jährlich ein kurzes Kulturprogramm mit einem Vortrag und Kinderprogrammpunkten. In manchen Jahren tragen die Hutzlbuwe, wenn sie vom Berg runterkommen, den Besuchern die Hutzelsprüche vor. In den letzten Jahren spielt die Blaskapelle aus Mecseknádasd traditionelle ungarndeutsche Blasmusik, in manchen Jahren begleitet sie die Besucher der Nachmittagsprogramme auch mit Musik vom Kulturhaus zum Dorfeingang, sie spielen aber auch im "Hutzl-sátor" (Hutzel-Zelt), das am Dorfeingang aufgestellt wird. Im Jahr 2006 fand bereits die zweite "Feuerrad-Wanderung" (II. tüzeskerék-túra), deren Teilnehmer aus der Nachbarstadt Pécsvárad nach Óbánya wanderten und dort auf das Hutzlrad warteten, statt.

Geschichte:
Bis in die 1970er Jahre wurde der Brauch auf dem heute bereits mit Sträuchern und Bäumen zugewachsenen "Winderberich", der etwa in der Mitte des Dorfes liegt und als Hutweide genutzt wurde, ausgeübt. Oben auf dem Berg stand der "Hutzlbaam", ein Holzbirnbaum oder eine Rotbuche. Dort wurde das Hutzlfeuer angezündet, von dort rollte das Rad den Berg hinab. Die Hutzlbuwe waren sechs Jungen aus der Oberstufe der Grundschule, meist aus der sechsten Klasse. Damals hatte das Dorf noch mehr Schulkinder, bis in die 1950er Jahre auch etwa zweimal so viele Einwohner wie heute. Am Nachmittag mussten sie in die Litanei gehen, erst danach gingen sie auf den Berg hinauf. Bevor sie das Rad nach dem Abendgebetläuten den Berg hinab stießen, beteten sie den "Engel des Herrn", auch gab es keine Blasmusik. Das Rad wurde vom Wagner angefertigt, statt der Eisenstange verwendete man eine Stange aus Holz. Nach dem Hinunterlassen des Rades gingen die Burschen am Abend von Haus zu Haus. Nach einem "Gelobt sei Jesus Christus" trug immer ein anderer die zwei Hutzelsprüche vor, zuerst jenen, den sie auf dem Berg sprachen, danach den folgenden:

Der römische Kaiser werd' ich genannt,
das Schwert trag ich in meiner Hand.
Mit Tod will ich ringen,
den Feind will ich schwingen.
Oh Herr, ich hab' was vergessen,
eine Schüssel voll Essen,
ein Trinkglas voll Wein,
dann kann Herr und Frau dabei lustig sein.
Hoch sollen sie leben,
der Hausherr und die Hausfrau!
Vivat!

Einer der Jungen hatte einen Korb, in dem sie Eier gesammelt haben, ein anderer hatte ein "Häwele" (Becher) für das Geld, das sie für ihren "Dienst" am Hutzlsunndag erhielten.
Darüber, seit wann der Brauch ausgeübt wird, scheinen keine schriftlichen Zeugnisse vorzuliegen. In Altglashütten ließen sich ab dem 18. Jahrhundert katholische deutsche Siedler - vor allem aus fränkischen Gebieten und dem Schwarzwald - nieder. Nach Wild (1995) seien die Bezeichnung "Hutzelsonntag" und das Hutzelradtreiben im katholischen Teil der früheren Fürstabtei Fulda, zwischen Vogelberg und vorderem Rhön verbreitet gewesen, einem Gebiet, das sich im Wesentlichen mit dem Herkunftsgebiet zahlreicher Siedler, die im 18. Jahrhundert nach Südungarn kamen, deckt. Obwohl Altglashütten nicht zu den hauptsächlich mit Stift-Fuldaern besiedelten Dörfern gehörte, war der Hutzlsunndag bekannt.

Die Initiative der Neuorganisierung kam von einer Deutschlehrerin der Grundschule der Nachbargemeinde Mecseknádasd/Nadasch, die die damaligen Altglashüttner Schulkinder unterrichtete. Mit Hilfe der Väter der Schüler, die in den 1970er Jahren noch als Kinder den Brauch selber ausgeübt haben, organisierten sie den ersten Hutzlsunndag, an dem viele Kinder aus den umliegenden Dörfern beteiligt waren. Ab dem folgenden Jahr übernahm die örtliche Deutsche Minderheitenselbstverwaltung die Organisation zusammen mit der Stiftung für Altglashütten und dem lokalen Deutschen Leseverein. Die Hutzlbuwe sind seitdem Altglashüttner, "Schwaben" - d. h. "Ungarndeutsche" - und Ungarn.

Der Brauch stand laut Erzählungen mit dem Wunsch in Verbindung, die Ernte des kommenden Sommers im Voraus zu erkunden: In welchem Teil des Dorfes das vom Winderberich hinunterrollende Rad gelandet ist, war von besonderem Belang. Ging es "varaus naus" (voraus hinaus), brachte es dem unteren Dorfteil viel Obst im kommenden Sommer, ging es jedoch "hinenaus" (hinten hinaus), konnte man im oberen Dorfteil mit viel Obst rechnen.

Referenzen

Katharina Wild: Der Hutzelsonntag in Südungarn (II). Feuerbräuche. In: Karl Manherz (Hg.): Beiträge zur Volkskunde der Ungarndeutschen 17. Budapest 2000, S. 53-67.