Lucanap / Luzientag
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13.12.2024 (13.12. Luziatag)Nächstes Jahr
13.12.2025 (13.12. Luziatag)Turnus
jährlich
Festausübung
erloschen
Allg. Festbeschreibung
Geografie
Ort
Kreis
Region
Staat
Beschreibung
Der Luzientag (ungarisch Lucanap) am 13. Dezember ist einst einer der wichtigsten Feiertage der ungarischen Volkstradition gewesen. Er wurde landesweit vielerorts, jedoch in verschiedenen Ausprägungen, gefeiert. Der Luzientag hatte keinen festen Ablauf. Er verfügte aber über typische Elemente, die in verschiedenen Orten unterschiedlich stark zum Tragen kamen.
Die hl. Luzia soll wegen Ihres christlichen Glaubens durch Märtyrertod etwa 304 gestorben sein. Ihr Name stammt von dem lateinischen Wort lux, also Licht - vor der Gregorianischen Kalenderreform (1582) fiel der Festtag Luziens auf die Wintersonnenwende. Doch der Luzientag steht in Ungarn größtenteils nicht nur mit der Heiligenfigur - der in der nordungarischen Stadt Esztergom bereits 1286 ein Altar geweiht worden war - in Verbindung. Mit ihr konkurrierte eine hexenartige, unheilbringende Frauengestalt. Der Luzientag war von einer Ambivalenz geprägt: Neben der Verehrung der Heiligen war zugleich die Furcht vor dem Dämonischen, vor den Hexen, in der Brauchausübung deutlich zu erkennen. Letztere kam durch zahlreiche weit verbreitete Aberglaubensvorstellungen und Arbeitsverbote zum Vorschein.
Am charakteristischsten sind die oft mit abergläubischen Vorstellungen verknüpften Brauchhandlungen um den Luzienstuhl. Dieser ist ein kleiner, meist aus Holz geschnitzter drei- oder vierbeiniger Schemel, der zwischen dem 13. Dezember und Weihnachten gefertigt wurde. Vielerorts haben die Luzienstühle nur aus bestimmten Holzsorten geschnitzt werden dürfen. (Die deutsche Volkskundlerin Ingeborg Weber-Kellermann, die in Ungarn Feldforschungen durchführte, berichtet über ein Beispiel, bei dem ein 13beiniger Schemel an 13 Tagen aus 13 Holzarten aus 13 verschiedenen Gemarkungen angefertigt wurde. Weber-Kellermann 1958, S. 300.) Man zimmerte jeden Tag so viel am Stuhl, dass er genau zum Heiligabend fertig war und zur Christmesse in der Kirche eingesetzt werden konnte: Man habe, so die weit verbreitete Vorstellung, auf dem Stuhl stehend oder sitzend die Hexen des Dorfes an ihren Hörnern erkennen können. Man tat gut daran, anschließend nach Hause zu eilen, damit man von den Hexen nicht in Stücke gerissen wurde, sodass man unterwegs oft Mohn auf den Weg streute, welchen diese haben auflesen müssen (Tátrai/Karácsony-Molnár, S. 175).
Im Ungarischen Nationalmuseum wird ein Luzienstuhl aus dem Jahre 1868 aufbewahrt. Er stammt aus dem Dorf Vál / Komitat Fejér und unter der Sitzfläche ist ein Zettel des Dorfpfarrers noch heute zu lesen. Dieser besagt u.a., dass der Luzienstuhl aus neun verschiedenen Holzarten gemacht werden musste. In Vál ist der Luzienbrauch auch heute noch präsent - vielleicht wegen des berühmten, ältesten Luzienstuhls im Nationalmuseum - auf jeden Fall steht der Luzien-Hexenbrauch im Programm der örtlichen Volkstanzgruppe und soll auf der Bühne in folkloristischen Veranstaltungen "weitergepflegt" werden.
In der Kleinen Tiefebene / Nordwestungarn (Csallóköz) und der Gegend von Nyitra (Slowakei) verkleiden sich manche junge Männer, seltener Mädchen als Luzie - teilweise bis in die jüngste Zeit. Luzie ist vom Kopf bis Fuß weiß bekleidet, der Rock geht dabei bis zum Boden. Der Kopf ist mit weißem Kopftuch bedeckt und das Gesicht wird entweder mit Mehl beschmiert oder mit einem dünnen Stoff (oft Tüll) bedeckt. (In Kolon / Komitat Nyitra, heute Slowakei, trug Luzie die Bekleidung einer jungen verheirateten Frau, einen Haarknoten und eine Maske aus Hasenfell, in die zwei Löcher für die Augen geschnitten wurden.) Die großen, weißen Figuren, die die Entgegenkommenden mit Mehl beschmieren, wirken insgesamt gespenstisch, zumal sie sich herumtreiben und immer stumm bleiben.
In einigen Orten Südwestungarns knüpfte sich ein Heischebrauch der Kinder an den Luzientag. Beim Hausbesuch sangen die Kinder Lieder vor, deren gute Wünsche auf reichen Fleischertrag und die Fruchtbarkeit v.a. der Hühner und Gänse zielten - wie beim "Brüte-Lied" von Újkér:
Luca, Luca, kity-koty!
Hennen und Gänse sollen schön brüten!
Axt und Bohrer sollen stehn an ihrem Platz
Wie ein Eichstamm!
Eier sollt ihr haben wie Sterne am Himmel!
Geld soviel wie im Kasten die Spreu.
Das Schwein, das ihr schlachtet, sei groß wie der Dorfstier!
Die Wurst so lang, wie die Dorfstraße ist!
Dick sei der Speck wie im Haus der große Balken!
Und Schmalz sollt ihr haben soviel wie Wasser im Brunnen!
Im Folgenden sollen einige Belege der verschiedenen Ausprägungen des Luzienbrauches erwähnt werden: In Bicske / Komitat Fejér hatte der Luzienstuhl eine Lehne, die aus 13 Roggenhelmen geflochten war, während diese in Gyúró / Kom. Fejér aus Maisblättern gemacht wurde. Hier wurde der Luzienstuhl im Advent gezimmert, damit sich die unverheirateten Mädchen am Luzientag im Haustor auf diese stellen konnten. Der erste junge Mann, der nun vorbeikam, sollte der Zukünftige des Mädchens werden. Eine lange und etwas gruselige Version stammt aus Sárbogárd / Kom. Fejér. Nach dieser sollten die durch den Luzienstuhl "erkannten Hexen" nach ihrem Tod weiter verfolgt werden: am dritten Tag des Begräbnisses einer solchen "Hexe" sollte das Grab aufgesucht werden. Auf dem Luzienstuhl sitzend sollen nun die Hexen beobachtet werden, die um Mitternacht das frische Grab aufsuchen, die Tote herausnehmen, sie enthäuten und ihr Fleisch im Grab zurücklassen. Die unter Lebensgefahr erworbene Haut soll Reichtum versprechen - so eine Gewährsperson. (Lukács 2004, S. 201).
Während Katholiken die Hexen durch den Luzienstuhl auf der Christmette erblicken konnten, stellten Protestanten diesen auf Kreuzwegen auf, wo er ebenfalls zur Erkennung von Hexen diente.
"Den Luzientag begehen zahlreiche Völker Europas mit dem Verzehr von Gebäck mit kultischem Zweck" - schreibt Sándor Bálint 1977. "Der in der Szegeder Gegend bis heute gebackene Luzienkuchen wird mit viel Fett gemacht. Vor dem Backen bestückt man in mit kleinen Federn für jedes Familienmitglied. Derjenige, dessen Feder beim Backen verbrannte, sollte bald sterben. So ist es u.a. in Bátya, Dusnok und Bócsa. (alle in Kom. Bács-Kiskun)" Auch gegen Tierleiden benutzte man Krümel des Luzienkuchens.
Hinter dem Brauch des Luzienweizens vermutet Bálint noch einen Bezug zu einem uralten primitiven Naturzauber und Vegetationskult. "Der Luzienweizen ist nichts anderes, als am Luzientag zum Keimen vorbereiteter Weizen, der mit Wasser - in Algyő mit Weihwasser - gegossen wird. Es gibt seltener ältere Frauen, die ihn mit Wasser aus dem Mund ernähren. Die Hausfrau lässt die Weizenkörner in einem flachen Teller keimen, die bis Weihnachten zu treiben beginnen. Frauen in Tápé / Kom. Csongrád sagen währenddessen: 'Brot für mich, Weide für mein Vieh, meine grüne Wiese'". Aus dem Wachstum des Weizens schließen sie auf die zu erwartende Ernte, aber auch bei einem Fluch wird er eingesetzt. Er wird auch als Futter für kranke Tiere verwendet. An Weihnachten schmücken die Frauen den Altar mit ihm. Der Luzienweizen soll nach Bálint durch die südliche Vegetationskultur von der Adria aus nach Ungarn gekommen sein, sodass er durch katholische Südslawen (Kroaten, Bunjewatzen, Schokazen) verbreitet wurde.
Die hl. Luzia soll wegen Ihres christlichen Glaubens durch Märtyrertod etwa 304 gestorben sein. Ihr Name stammt von dem lateinischen Wort lux, also Licht - vor der Gregorianischen Kalenderreform (1582) fiel der Festtag Luziens auf die Wintersonnenwende. Doch der Luzientag steht in Ungarn größtenteils nicht nur mit der Heiligenfigur - der in der nordungarischen Stadt Esztergom bereits 1286 ein Altar geweiht worden war - in Verbindung. Mit ihr konkurrierte eine hexenartige, unheilbringende Frauengestalt. Der Luzientag war von einer Ambivalenz geprägt: Neben der Verehrung der Heiligen war zugleich die Furcht vor dem Dämonischen, vor den Hexen, in der Brauchausübung deutlich zu erkennen. Letztere kam durch zahlreiche weit verbreitete Aberglaubensvorstellungen und Arbeitsverbote zum Vorschein.
Am charakteristischsten sind die oft mit abergläubischen Vorstellungen verknüpften Brauchhandlungen um den Luzienstuhl. Dieser ist ein kleiner, meist aus Holz geschnitzter drei- oder vierbeiniger Schemel, der zwischen dem 13. Dezember und Weihnachten gefertigt wurde. Vielerorts haben die Luzienstühle nur aus bestimmten Holzsorten geschnitzt werden dürfen. (Die deutsche Volkskundlerin Ingeborg Weber-Kellermann, die in Ungarn Feldforschungen durchführte, berichtet über ein Beispiel, bei dem ein 13beiniger Schemel an 13 Tagen aus 13 Holzarten aus 13 verschiedenen Gemarkungen angefertigt wurde. Weber-Kellermann 1958, S. 300.) Man zimmerte jeden Tag so viel am Stuhl, dass er genau zum Heiligabend fertig war und zur Christmesse in der Kirche eingesetzt werden konnte: Man habe, so die weit verbreitete Vorstellung, auf dem Stuhl stehend oder sitzend die Hexen des Dorfes an ihren Hörnern erkennen können. Man tat gut daran, anschließend nach Hause zu eilen, damit man von den Hexen nicht in Stücke gerissen wurde, sodass man unterwegs oft Mohn auf den Weg streute, welchen diese haben auflesen müssen (Tátrai/Karácsony-Molnár, S. 175).
Im Ungarischen Nationalmuseum wird ein Luzienstuhl aus dem Jahre 1868 aufbewahrt. Er stammt aus dem Dorf Vál / Komitat Fejér und unter der Sitzfläche ist ein Zettel des Dorfpfarrers noch heute zu lesen. Dieser besagt u.a., dass der Luzienstuhl aus neun verschiedenen Holzarten gemacht werden musste. In Vál ist der Luzienbrauch auch heute noch präsent - vielleicht wegen des berühmten, ältesten Luzienstuhls im Nationalmuseum - auf jeden Fall steht der Luzien-Hexenbrauch im Programm der örtlichen Volkstanzgruppe und soll auf der Bühne in folkloristischen Veranstaltungen "weitergepflegt" werden.
In der Kleinen Tiefebene / Nordwestungarn (Csallóköz) und der Gegend von Nyitra (Slowakei) verkleiden sich manche junge Männer, seltener Mädchen als Luzie - teilweise bis in die jüngste Zeit. Luzie ist vom Kopf bis Fuß weiß bekleidet, der Rock geht dabei bis zum Boden. Der Kopf ist mit weißem Kopftuch bedeckt und das Gesicht wird entweder mit Mehl beschmiert oder mit einem dünnen Stoff (oft Tüll) bedeckt. (In Kolon / Komitat Nyitra, heute Slowakei, trug Luzie die Bekleidung einer jungen verheirateten Frau, einen Haarknoten und eine Maske aus Hasenfell, in die zwei Löcher für die Augen geschnitten wurden.) Die großen, weißen Figuren, die die Entgegenkommenden mit Mehl beschmieren, wirken insgesamt gespenstisch, zumal sie sich herumtreiben und immer stumm bleiben.
In einigen Orten Südwestungarns knüpfte sich ein Heischebrauch der Kinder an den Luzientag. Beim Hausbesuch sangen die Kinder Lieder vor, deren gute Wünsche auf reichen Fleischertrag und die Fruchtbarkeit v.a. der Hühner und Gänse zielten - wie beim "Brüte-Lied" von Újkér:
Luca, Luca, kity-koty!
Hennen und Gänse sollen schön brüten!
Axt und Bohrer sollen stehn an ihrem Platz
Wie ein Eichstamm!
Eier sollt ihr haben wie Sterne am Himmel!
Geld soviel wie im Kasten die Spreu.
Das Schwein, das ihr schlachtet, sei groß wie der Dorfstier!
Die Wurst so lang, wie die Dorfstraße ist!
Dick sei der Speck wie im Haus der große Balken!
Und Schmalz sollt ihr haben soviel wie Wasser im Brunnen!
Im Folgenden sollen einige Belege der verschiedenen Ausprägungen des Luzienbrauches erwähnt werden: In Bicske / Komitat Fejér hatte der Luzienstuhl eine Lehne, die aus 13 Roggenhelmen geflochten war, während diese in Gyúró / Kom. Fejér aus Maisblättern gemacht wurde. Hier wurde der Luzienstuhl im Advent gezimmert, damit sich die unverheirateten Mädchen am Luzientag im Haustor auf diese stellen konnten. Der erste junge Mann, der nun vorbeikam, sollte der Zukünftige des Mädchens werden. Eine lange und etwas gruselige Version stammt aus Sárbogárd / Kom. Fejér. Nach dieser sollten die durch den Luzienstuhl "erkannten Hexen" nach ihrem Tod weiter verfolgt werden: am dritten Tag des Begräbnisses einer solchen "Hexe" sollte das Grab aufgesucht werden. Auf dem Luzienstuhl sitzend sollen nun die Hexen beobachtet werden, die um Mitternacht das frische Grab aufsuchen, die Tote herausnehmen, sie enthäuten und ihr Fleisch im Grab zurücklassen. Die unter Lebensgefahr erworbene Haut soll Reichtum versprechen - so eine Gewährsperson. (Lukács 2004, S. 201).
Während Katholiken die Hexen durch den Luzienstuhl auf der Christmette erblicken konnten, stellten Protestanten diesen auf Kreuzwegen auf, wo er ebenfalls zur Erkennung von Hexen diente.
"Den Luzientag begehen zahlreiche Völker Europas mit dem Verzehr von Gebäck mit kultischem Zweck" - schreibt Sándor Bálint 1977. "Der in der Szegeder Gegend bis heute gebackene Luzienkuchen wird mit viel Fett gemacht. Vor dem Backen bestückt man in mit kleinen Federn für jedes Familienmitglied. Derjenige, dessen Feder beim Backen verbrannte, sollte bald sterben. So ist es u.a. in Bátya, Dusnok und Bócsa. (alle in Kom. Bács-Kiskun)" Auch gegen Tierleiden benutzte man Krümel des Luzienkuchens.
Hinter dem Brauch des Luzienweizens vermutet Bálint noch einen Bezug zu einem uralten primitiven Naturzauber und Vegetationskult. "Der Luzienweizen ist nichts anderes, als am Luzientag zum Keimen vorbereiteter Weizen, der mit Wasser - in Algyő mit Weihwasser - gegossen wird. Es gibt seltener ältere Frauen, die ihn mit Wasser aus dem Mund ernähren. Die Hausfrau lässt die Weizenkörner in einem flachen Teller keimen, die bis Weihnachten zu treiben beginnen. Frauen in Tápé / Kom. Csongrád sagen währenddessen: 'Brot für mich, Weide für mein Vieh, meine grüne Wiese'". Aus dem Wachstum des Weizens schließen sie auf die zu erwartende Ernte, aber auch bei einem Fluch wird er eingesetzt. Er wird auch als Futter für kranke Tiere verwendet. An Weihnachten schmücken die Frauen den Altar mit ihm. Der Luzienweizen soll nach Bálint durch die südliche Vegetationskultur von der Adria aus nach Ungarn gekommen sein, sodass er durch katholische Südslawen (Kroaten, Bunjewatzen, Schokazen) verbreitet wurde.
Referenzen
Alfred Karasek-Langer: Lucienglauben und -bräuche aus der Kemnitz-Probener und Hochwieser Sprachinsel in der Slowakei. In: Sudetendeutsche Zeitschrift für Volkskunde IV. 1931, S. 107-116.