06.12. Nikolaus

Der Heilige Nikolaus war Bischof von Myra in Lykien (heute Demre/Türkei) und lebte wahrscheinlich in der 1. Hälfte des 4. Jahrhunderts.

Mit frühen Wunderberichten über ihn vermischten sich durch spätere Verwechslung Begebenheiten aus der Vita eines gleichnamigen Abtes von Sion und Bischofs von Pinora, der dem 6. Jahrhundert angehörte und wohl 564 starb. Die legendäre Gestalt des heiligen Nikolaus ist somit eine Kompilation aus zwei historischen Personen. Durch fromme Vorstellungskraft mit immer schärferen Konturen versehen, wurde Nikolaus im griechischen Osten schon bald als „Hyperhagios“ und „Thaumaturg“, als überragender Heiliger und Wundertäter, verehrt. Über Italien fasste sein Kultauch im lateinischen Westen Fuß, wo er, vermutlich begünstigt durch die Einheirat der aus dem byzantinischen Kulturkreis stammenden Prinzessin Theophano ins ottonische Kaiserhaus, im 10. und 11. Jahrhundert einen enormen Aufschwung erlebte.

Kernstück des griechischen Legendengrundstocks ist das sog. Stratelatenwunder, die Befreiung dreier zu Unrecht eingekerkerter Feldherren, wodurch Nikolaus zum Patron der Gefangenen wurde. Die weitere Legende, er habe Schiffbrüchige aus einem Seesturm gerettet, machte Nikolaus zum Nothelfer der Seefahrer. Dieses Patronat war ausschlaggebend dafür, dass die Gebeine des Heiligen nach der Jahrtausendwende von Myra nach Italien in die Seehandelsmetropole Bari überführt wurden,
wo sie im Mai 1087 ankamen. Ebenfalls zum frühen Legendenbestand gehört die Geschichte von der heimlichen Beschenkung dreier Jungfrauen mit je einem Goldstück,um sie vor Schande zu bewahren und ihnen eine standesgemäße Heirat zu ermöglichen. Daraus erwuchs nicht nur die Vorstellung von Nikolaus aus Gabenspender, sondern auch seine ikonographische Kennzeichnung durch drei Goldkugeln. Die zweite, vor allem in Frankreich und in den Niederlanden gängige Darstellungsvariante des Heiligen mit drei Knaben in einem Fass beruht auf einer nordfranzösischen Sekundärlegende des 12. Jahrhunderts, wonach Nikolaus drei ermordete und bereits zu Pökelfleisch zerstückelte Scholaren wiedererweckt haben soll. Realer Anknüpfungspunkt hierfür dürfte das im Mittelalter am Nikolaustag übliche Vorratsschlachten und Pökeln für Weihnachten gewesen sein.

Aufgrund seiner großen Popularität wurde Nikolaus wie kaum ein anderer Heiliger zum Kristallisationskern einer Fülle von Brauchformen. Als Ausgangpunkt der breit gefächerten Nikolausbräuche darf eben die Legende von der Wiedererweckung der drei getöteten Schüler gelten: Seit dem 14. Jahrhundert feierten die Klosterzöglinge ihren Patron an dessen Gedenktag mit der Wahl eines Kinderbischofs, der für einige Stunden über die klösterliche Gemeinschaft regieren und eine komische Inversion aller Ordnungen herbeiführen durfte. Diese karnevalesken Inszenierungen der Scholaren arteten mit der Zeit allen Reglementierungsversuchen zum Trotz immer mehr in nächtliche Lärmumzüge mit einer verkleideten Bischofsfigur aus, die häufig noch von vermummten Teufeln begleitet wurde. Erst im Laufe des 17. Jah
rhundert gelang es durch massiven Druck des Klerus, diese nächtlichen Umgänge zu domestizieren und sie in den Dienst gegenreformatorischer Adventspädagogik zu stellen. So entwickelte sich aus ihnen die heute noch bekannte Brauchform der Einkehr des heiligen Nikolaus in die Häuser zur Examinierung der Kinder mit anschließender Belohnung oder Bestrafung. Anregend für dieses Brauchmuster dürfte das nach der alten Leseordnung der katholischen Kirche für den Nikolaustag am 6. Dezember vorgeschriebene Evangelium mit dem Gleichnis von den Talenten (Mt 25,14 – 23) gewesen sein, in dem Angestellte vor ihrem Herrn Rechenschaft darüber ablegen
müssen, was sie aus den ihnen anvertrauten Geldmünzen (Talenten) gemacht haben. Dasselbe geschieht beim Hausbesuch des Nikolaus: Durch Vorbeten, Vorsingen oderAufsagen von Sprüchen vor dem bischöflichen Examinator geben die Kinder Rechenschaft darüber, wie es um ihre Talente steht – wobei Talente in diesem Fall nicht mehr in der ursprünglichen Bedeutung als antike Geldstücke, sondern im übertragenen Sinne als geistige Fähigkeiten verstanden werden. Einem einfachen Dualismus zwischen Gut und Böse folgend, tritt Nikolaus als gütige Brauchgestalt und Gabenbringer meist in Begleitung Furcht einflößender Schreckfiguren auf, deren Namen und Erscheinungsbilder von Region zu Region wechseln. Das Spektrum der düsteren Assistenzfiguren reicht vom Knecht Ruprecht über Hans Trapp oder den Schwarzen Peter (Zwarte Pit) bis zum Krampus oder Klaubauf, wobei sich der Mummenschanz der Nikolausbegleiter in manchen Gebieten – am extremsten wohl in Osttirol – zu einem vielfigurigen Spektakel verselbständigen kann. Eine unter dem Aspekt der Theatralität besonders interessante Brauchform sind die Nikolausspiele des Alpenraums (z. B. in Bad Mitterndorf/Österreich), die wohl auf jesuitischen Einfluss zurückgehen und in deren Zentrum die Darstellung des Lebens und Sterbens des armenund des reichen Mannes, also der Kern des Jedermanns-Stoffes, steht. Was den Termin der traditionellen Brauchvollzüge betrifft, so finden sie überwiegend nicht am eigentlichen Gedenktag des heiligen Nikolaus, am 6. Dezember, sondern bereits an dessen Vorabend, am 5. Dezember, statt. Einen Sonderfall bildet in Bari dasTranslationsfest des Heiligen, das dort zur Erinnerung an die Überführung der Nikolausreliquien in die apulische Hafenstadt im Mai begangen wird.

Zwischen Nikolauskult und Nikolausbrauch hat sich kirchengeschichtlich eine eigentümliche Schere entwickelt: Während der Kult des Heiligen seinen Höhepunkt im späten Mittelalter erreicht hatte, intensivierten sich die Bräuche erst, als seine Verehrung bereits deutlich zurückging und andere Heiligenbilder ins Blickfeld der Kirche rückten. Bis ins 19. Jahrhundert war und blieb Nikolaus in katholischen Gegenden der einzige Gabenbringer der Weihnachtszeit, während in evangelischen Gebieten die Rolle der Bescherfigur schon früh dem Christkind zugewiesen wurde. Dass bereits Martin Luther selber den heiligen Nikolaus als Schenkfigur durch den „heiligen Christ“ ersetzt sehen wollte, wird zwar in der Literatur immerwieder behauptet, lässt sich aber nicht belegen. Wegen mangelnder Historizität der Vita wurde Sankt Nikolaus von der katholischen Kirche nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil aus dem Römischen Generalkalender gestrichen und verlor damit seine Verbindlichkeit für die Gesamtkirche. Auf die Folklore wirkte sich dieser theologische Schritt jedoch so gut wie nicht mehr aus. Die Trennung von Kult und Brauch war schon lange vorher vollzogen. Mit fortschreitender Säkularisierung ist an die Stelle der ursprünglichen Brauchfigur des Bischofs Nikolaus mit Mitra und Krummstab im 20. Jahrhundert als neue Ikone vorweihnachtlichen Kommerzes vielfach der aller christlichen Symbolik entledigte neutrale Weihnachtsmann mit rotem Kapuzenmantel und Gabensack getreten. Inflationär vervielfacht, gehört dieses in zwischen weltweit bekannte säkulare Derivat des heiligen Nikolaus heute zum adventlichen Ambiente zahlloser Warenhäuser und Märkte.

© Prof. Dr. Werner Mezger

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